Besser erinnern: Gehirnelektroden könnten Menschen mit Gehirnschäden helfen

Elektroden, die den Hippocampus nachahmen sollen, scheinen die Erinnerungsspeicherung zu verbessern. Bei schlechtem Gedächtnis sind sie doppelt so effektiv.​

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 12 Kommentare lesen

(Bild: vs148/Shutterstock.com)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Jessica Hamzelou
Inhaltsverzeichnis

Eine einzigartige Form der Hirnstimulation scheint die Fähigkeit von Menschen zu verbessern, sich neue Informationen zu merken. Die sogenannte Gedächtnisprothese scheint dabei auch Menschen mit Gedächtnisstörungen zu helfen. In Zukunft könnten fortschrittlichere Versionen der Gedächtnisprothese Menschen, die aufgrund von Hirnverletzungen, Altern oder degenerative Krankheiten wie Alzheimer Gedächtnisverluste erlitten haben, helfen, sagen Forscher um den Neurowissenschaftler Rob Hampson von der Wake Forest University School of Medicine in North Carolina.

Die Gedächtnisprothese ahmt die Art und Weise nach, wie das Gehirn Erinnerungen erzeugt. Genauer gesagt bildet sie Vorgänge im Hippocampus nach. Diese Seepferdchen-förmige Region tief im Gehirn spielt eine entscheidende Rolle beim Gedächtnis. Sie hilft nicht nur bei der Bildung von Kurzzeitgedächtnissen, sondern scheint auch Erinnerungen zur Langzeitspeicherung in andere Regionen zu leiten.

Seit mehr als zehn Jahren arbeiten Theodore Berger und Dong Song von der University of Southern California mit Kollegen daran, diesen Prozess zu imitieren. Sie versuchen, mit Hilfe von Gehirnelektroden die elektrischen Aktivitätsmuster zu verstehen, die bei der Kodierung von Erinnerungen auftreten. Ihre Idee: dieselben Elektroden zu verwenden, um ähnliche Aktivitätsmuster abzufeuern.

Um herauszufinden, ob die Methode Menschen mit Gedächtnisschwäche helfen könnte, testeten Berger und Hampson mit Kollegen zwei Versionen der Gedächtnisprothese an 24 Probanden. Ihnen waren zur Untersuchung ihrer Epilepsie bereits Elektroden implantiert worden. Einige von ihnen hatten auch Hirnverletzungen.

Die erste Version namens Gedächtnis-Dekodierungsmodell (memory decoding model oder kurz MDM) ahmt die Muster der elektrischen Aktivität im Hippocampus nach, die auf natürliche Weise auftreten, wenn jeder Proband erfolgreich Erinnerungen bildet. Das MDM-Modell nimmt einen Durchschnitt dieser Muster für jedes Individuum und feuert dann dieses Muster der elektrischen Stimulation ab.

Der zweite Typ mit dem Namen Multi-Input-Multi-Output (MIMO) ahmt die Funktionsweise des Hippocampus genauer nach. In einem gesunden Hippocampus fließt die elektrische Aktivität von einer Schicht zur anderen, bevor sie sich auf andere Gehirnregionen ausbreitet. Das MIMO-Modell basiert auf dem Erlernen der Muster elektrischer Ein- und Ausgänge, die mit der Gedächtniskodierung korrespondieren, und ahmt diese dann nach.

Um zu testen, wie gut jedes der Modelle funktioniert, baten Hampson und seine Kollegen die Freiwilligen, an Gedächtnistests teilzunehmen. Bei diesen Tests wurde jeder Person ein Bild auf einem Computerbildschirm gezeigt. Nach einer Verzögerung wurde dasselbe Bild erneut gezeigt, zusammen mit einer Auswahl anderer Bilder. Die Person musste sich entscheiden, welches das bereits gezeigte Bild war. Jeder Proband absolvierte etwa 100 bis 150 dieser kurzen Aufgaben, mit denen das Kurzzeitgedächtnis einer Person getestet werden soll.

Zwischen 15 und 90 Minuten später unterzog sich jede Person einem zweiten Test. Diesmal wurden ihnen jeweils drei Bilder gezeigt, von denen sie das auswählen sollte, das ihr am bekanntesten vorkam. Dieser Test gibt Aufschluss über das Langzeitgedächtnis einer Person.

Die Probanden führten beide Gedächtnistests zweimal durch: einmal zur Aufzeichnung des Hippocampus und einmal zur Stimulierung der aufgezeichneten Muster, die mit erfolgreich gespeicherten Erinnerungen verbunden sind. Die Aufzeichnungen waren einzigartig, sagt Hampson: "Bisher haben wir festgestellt, dass es bei jeder Person anders ist."

Das Team fand heraus, dass die Gedächtnisprothese die Leistungen der Probanden bei Gedächtnistests verbesserte. Ihre Ergebnisse waren deutlich höher, wenn sie bei der ersten Präsentation der Bilder das richtige Stimulationsmuster erhalten hatten. Dies deutet darauf hin, dass die Gedächtnisprothese dazu beitragen kann, Erinnerungen im Gehirn zu kodieren, sagen die Forscher. "Wir stellen Verbesserungen zwischen elf und 54 Prozent fest", sagt Hampson.

"Diese Art der Personalisierung von Hirnstimulationen ist eine wirklich wichtige Sache", sagt Josh Jacobs von der Columbia University. Er untersucht ebenfalls Hirnaufzeichnungen von Menschen mit Epilepsie, war aber nicht an der aktuellen Forschung beteiligt.