Digitalisierung in der Pflege: Was Deutschland noch lernen kann

Seite 2: Akzeptanz bei Pflegepersonal und Pflegebedürftigen

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Pflege 4.0 schließt in der niederländischen Pflegeeinrichtung "tanteLouise" auch den Einsatz eines Roboters ein. Viel können Pflegeroboter bisher häufig nicht und bereiten den befragten Pflegekräften deshalb bislang auch keine Sorge, durch sie ersetzt zu werden. Der Einsatz des Kommunikationsroboters bei tanteLouise zeigt aber, dass sie die in der Einrichtung lebenden Menschen unterhalten und zu körperlicher wie geistiger Aktivität anregen können. Er bewegt sich eigenständig und greift über individuell einstellbare Module die Biografien seines Gegenübers auf. Hat sich jemand lebenslang begeistert dem Garten gewidmet, präsentiert der Roboter beispielsweise Hörgeschichten aus dem Bereich.

Er sorgt im Gemeinschaftsraum durch ein Bewegungsprogramm für mehr körperliche Betätigung, aber vor allem lässt er Pflegebedürftige, die sich zuvor misstrauisch begegnet sind, in Interaktion treten. "Am Anfang war ich sehr kritisch und nicht sehr erfahren im Umgang mit der Technik", erzählt Reyn van Elzakker, Pflegefachmann bei tanteLouise. "Aber ich kann sagen, dass ich mich weniger gestresst fühle, vor allem in den Zeiten, in denen ich zum Beispiel Medikamente geben, Essen verteilen oder Personen betreuen muss."

Sogar zur Bereicherung – und nicht nur zur Entlastung – wird der Technologie-Einsatz, wenn auch die Pflegebedürftigen seinen Nutzen erkennen. In Lergården geben Videotelefone über smarte Fernsehgeräte und Tablets, auf denen alle Daten und Termine einsehbar sind, ein Stück Selbstbestimmung zurück.

In den Pflegeeinrichtungen, die mit innovativen, digitalen Technologien arbeiten, berichten nur wenige von Überlastungen und hegen kaum Gedanken, die Pflege auf absehbare Zeit zu verlassen. Sie geben ihren gefühlten "Akkufüllstand" mit durchschnittlich 80 Prozent an. Ein Niveau, das kaum zu dem sonst weit verbreiteten Gesamtbild der Überbelastung (und den Fehlzeiten) von Pflegenden passen will.

Klar ist: Technik allein bringt noch keine Entlastung. Es reicht nicht, das Smartphone mit installierter App zur Sturzanalyse auf den Tisch zu legen und zu erwarten, dass Pflegefachpersonen damit arbeiten. Die Technik muss sich in die Arbeitsabläufe integrieren lassen und dafür müssen möglicherweise Prozesse, Aufgaben und Rollen neu organisiert werden. Außerdem erfordert dieser Wandel digitale Kompetenzen, die kreativ vermittelt werden müssen, denn viele Pflegende kommen in der Ausbildung kaum mit Technik in Berührung.

Die gute Nachricht ist, dass es auch Beispiele aus Deutschland gibt. So engagieren sich etwa die Evangelische Heimstiftung in Baden-Württemberg, das Seniorenzentrum Breipohls Hof in Bielefeld und Hösseringen in Suderburg für eine gute Pflege 4.0. Alle drei nutzen digitale Dokumentationstools, Hösseringen bestellt darüber Medikamente in der Apotheke, Breipohls Hof und die Heimstiftung verwenden Sensoren zur Bewegungserkennung. Allerdings steht dahinter die Förderung Einzelner mit großer – auch finanzieller – Eigenleistung. Das ist jedoch kein nachhaltiger Wandel, sondern es sind individuelle Lösungen.

Maxie Lutze ist Informatikerin und berät und forscht im Bereich "Demografie, Cluster und Zukunftsforschung" am Institut für Innovation und Technik (iit). Ihr Schwerpunkt ist die Untersuchung von Pflegeinnovationen und Pflegetechnologien.

(jle)