Elektroautos: Baustellen der Ladeinfrastruktur

Seite 2: Förderung, Plug & Charge

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Unverständlich ist, dass der Hamburger Senat an einem Privileg aus der Frühzeit der Elektromobilität festhält: Im Rahmen des Erlaubten – tagsüber zwischen 9 und 20 Uhr, nachts und am Wochenende unbegrenzt – dürfen Fahrzeuge mit E-Kennzeichen an Ladesäulen parken, ohne zu laden. Das führt zu der absurden Situation, dass in extrem dicht besiedelten Gebieten Plug-in-Hybride die Fläche vor den Ladesäulen als Umsonst-Parkplatz missbrauchen. Das ist völlig legal und angesichts des Bedarfs ein Skandal.

Dagegen ist der Ausbau der privaten Infrastruktur durch geförderte Wallboxen ein leichtes Unterfangen. Der Staat lobt als Quasi-Geschenk 900 Euro Direktförderung für Wallboxen mit 11 kW Ladeleistung und externer Steuerungsfähigkeit aus. Die Antragszahl bewegt sich in Richtung der 700.000er-Marke. Hintergrund: Der Besitz eines Elektroautos oder Plug-in-Hybriden ist keine Voraussetzung. Jeder kann eine subventionierte Wallbox beantragen. Der Fördertopf wurde mehrfach aufgestockt – vor der Bundestagswahl will man sich keine Blöße geben.

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Die Spannbreite bei den Gesamtkosten für die Installation einer Wallbox ist sehr breit. Ideal und preisgünstig ist es, wenn in einer Garage bereits ein dreiphasiger Anschluss vorhanden ist. Das andere Extrem sind Freiflächenparkplätze oder Tiefgaragen von Wohnungseigentümer-Gemeinschaften. Wenn die Anschlussleistung nicht ausreicht oder aufwendige Tiefbauarbeiten notwendig sind, kann es sehr teuer werden. Einzelfälle von Angeboten über 7000 Euro sind durchaus möglich.

Eigentlich erledigt hatte sich die vermeintlich schwer lösbare Herausforderung der Identifikation und Bezahlung an öffentlichen Ladesäulen. Dank weniger einheitlicher Softwarelösungen im Hintergrund reicht meistens eine einzige RFID-Ladekarte beziehungsweise Anbieter-App aus, um an fast allen AC- und DC-Säulen Strom zu bekommen. Das nächste Ziel ist die Implementierung von Plug & Charge nach ISO 15118: Das ist die automatische Identifikation und Bezahlung. Einstecken, fertig.

Die Autoindustrie und die Infrastrukturbranche arbeiten an der Abschaffung von Ladekarten oder Apps durch Plug & Charge nach ISO 15118: Einstecken, automatische Identifikation im Hintergrund, fertig. Widersinnig: Während das Chaos der Ladekarten längst Vergangenheit ist und Plug & Charge bald Wirklichkeit wird, schreibt die Politik vor, dass ab Juli 2023 neu errichtete Ladesäulen ein PIN-Pad für die die direkte Kartenzahlung haben. Ein Rückschritt ins analoge Zeitalter.

(Bild: Porsche)

Dass ausgerechnet jetzt ein Bundesratsbeschluss zum verpflichtenden Einbau von Kartenlesegeräten mit PIN-Pad ab Juli 2023 verabschiedet wurde, hat in der Branche zu einem Aufschrei geführt. Rückschritt in Fax-Zeiten, allgemeine Verzögerung und Kostentreiberei, sagen die einen. Barrierefreies Angebot für alle und Verbraucherschutz, sagen die anderen. Jedenfalls ergibt sich mit dieser Vorschrift die zweite große Hardwarepflicht nach der ebenfalls konfliktbeladenen Einführung der Eichrechtskonformität.

Diese ist bei DC-Säulen sowohl bei Bestands- als auch bei Neu-Säulen nicht ansatzweise umgesetzt. Eine Baumusterprüfbescheinigung für die eichrechtskonforme Abrechnung von der zuständigen Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig haben bisher nur wenige Hersteller, allen voran Compleo und darüber hinaus Alpitronic, ABB und ads-tec für Porsche.

Die Idealvorstellung bleibt, dass die Mischung aus heimischem AC- und dem DC-Laden unterwegs niederschwellig und simpel für jeden Elektroautofahrer zum Erfolg führt. Es muss auch im preisgünstigsten Elektroauto genügen, ein Ziel ins Navigationssystem einzugeben und alle Ladestopps mit korrekter Ladestands- und Warteprognose angezeigt zu bekommen. So, wie es an Teslas Superchargern selbstverständlich ist.

(mfz)