Flüssigsalz statt Wasser: Neuer Kernreaktor setzt auf anderes Kühlsystem

Mithilfe einer eigentlich alten Technik geht Kairos Power einen anderen Weg für seine Kernkraft-Reaktoren. Bereits zwei Meilensteine wurden erreicht.

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Testanlage von Kairos Power

Testanlage von Kairos Power.

(Bild: Kairos Power)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Casey Crownhart

Mehr als einen Monat lang flossen insgesamt zwölf Tonnen Flüssigsalz durch die Rohre des Kernkraft-Start-ups Kairos Power in Albuquerque im US-Bundesstaat New Mexico. Das Unternehmen arbeitet an einem neuartigen Kernreaktor, der mit einem geschmolzenen Salzgemisch gekühlt werden soll. Sein erstes großtechnisches Testkühlsystem hat Anfang Januar die Marke von 1000 Betriebsstunden überschritten. Dies ist bereits der zweite wichtige Meilenstein für Kairos in den vergangenen Wochen. So erteilte die US-Nuklearaufsichtsbehörde Nuclear Regulatory Commission (NRC) im Dezember eine Baugenehmigung für den ersten Testreaktor des Unternehmens.

Kernkraft könnte eine stetige Quelle kohlenstofffreier Energie liefern, die für die Bekämpfung des Klimawandels von entscheidender Bedeutung ist. Auf der UN-Klimakonferenz im vergangenen Dezember in Dubai haben sich 20 Staats- und Regierungschefs dafür ausgesprochen, die Kapazität aller weltweit einsatzbereiten Atomkraftwerke bis 2050 verdreifachen zu wollen. Doch die Technik ist erstens aus Umwelt- und Sicherheitsgründen umstritten und Neubauten sind zweitens bislang teuer. Die letzten großen AKW-Projekte wurden von Verzögerungen und explodierenden Baukosten geplagt. Kairos und andere junge Unternehmen, die an verbesserten Reaktorkonzepten arbeiten, hoffen, dies zu ändern – indem sie eine neue Version der Kernkraft vorstellen, die Kosten und Errichtungszeiten senken könnte.

"Unsere Technologie und der Konstruktionsansatz unterscheiden sich grundlegend von den derzeitigen kommerziellen Reaktoren", sagt Edward Blandford, Mitbegründer und Chief Technology Officer von Kairos. Heute verwenden fast alle kommerziellen Kernkraftwerke dieselbe Art von angereichertem Uran als Brennstoff, um durch Kernspaltung und Wasserdampferzeugung in Turbinen Strom zu generieren. Die Temperatur wird mit einem Kühlsystem kontrolliert, das Wasser verwendet.

Eine wachsende Zahl von Unternehmen arbeitet jedoch daran, diese Formel zu optimieren, um Kosten und auch die Sicherheit zu verbessern. Im Falle von Kairos plant das Unternehmen die Verwendung eines alternativen Brennstoffs namens TRISO (Tristuctural-isotropic fuel), der aus winzigen uranhaltigen Partikeln besteht, die in Graphithüllen eingebettet werden können. Der TRISO-Kernbrennstoff ist robust und kann hohen Temperaturen, Strahlung und Korrosion widerstehen. Außerdem verwendet das Kühlsystem eines TRISO-Reaktors Flüssigsalz anstelle von Wasser.

Das könnte eine große Hilfe sein, um Kernkraftwerke sicherer zu machen, meint Kairos CTO Blandford. Das Kühlsystem in wassergekühlten Reaktoren muss unter hohem Druck gehalten werden, um zu verhindern, dass das Wasser kocht – wodurch der Reaktor ohne Kühlmittel bleiben würde und die Gefahr bestünde, dass er sich überhitzt und außer Kontrolle gerät. Es ist zwar technisch auch möglich, Salz zu sieden, aber das könnte nur bei sehr hohen Temperaturen geschehen. Daher sind diese hohen Drücke wie im Druckwasserreaktor unnötig.

Flüssigsalz-Kernreaktoren, auf Englisch Molten Salt Reactor, wurden in den 1950er-Jahren erstmals entwickelt und in den 1960ern getestet, aber dann weitgehend auf Eis gelegt, da die Industrie zu wassergekühlten Konstruktionen überging. "Jetzt, da der Bedarf an kohlenstoffarmer Energie wächst, besteht wieder großes Interesse an diesen Technologien", sagt Jessica Lovering, Mitbegründerin und Geschäftsführerin des Good Energy Collective, einer Forschungsorganisation, die sich für die Nutzung der Kernenergie einsetzt. Neue Technologien könnten dazu beitragen, einige der Sicherheitsbedenken gegenüber wassergekühlten Reaktoren zu zerstreuen. Außerdem können sie auch effizienter Strom erzeugen.

Der Flüssigsalz-Reaktor wurde in den vergangenen sieben Jahrzehnten stark verbessert. Gleichzeitig ging ein solches System niemals in den kommerziellen Betrieb. Es müssen also noch viele Tests durchgeführt werden, bevor diese Art von Kühlsystem in der von den Behörden streng überwachten Kerntechnik eingesetzt werden kann. Hier kommt die Testanlage von Kairos ins Spiel. Es handelt sich um das weltweit größte System, das für die Zirkulation von FLiBe, einem Kühlmittel auf Fluoridbasis, gebaut wurde.

Das System verwendet elektrische Heizelemente, um die große Wärme zu simulieren, die bei Kernreaktionen im fertigen Reaktor entstehen würde. Bei den Tests wird eine FLiBe-Mischung durch eine Kühlschleife gepumpt, während die Ingenieure die Temperatur im gesamten System sowie den Reinheitsgrad des Salzes überwachen. Das Unternehmen hat auch getestet, wie der Reaktor neu befüllt werden kann und wie die aus dem System kommende Leistung überwacht und angepasst werden sollte.

Der Bau eines kompletten Kühlsystems, das nie in einem Kernreaktor zum Einsatz kommen wird, ist eine beträchtliche Investition an Zeit, Geld und Ressourcen. Doch der Ansatz, in kleinen Schritten vorzugehen, könnte Kairos helfen, das Verfahren erfolgreich einzuführen. Das sei aber eine historisch schwierige Aufgabe, sagt Patrick White, Forschungsdirektor bei der Nuclear Innovation Alliance, einem Kernkraft-Think-Tank.

"Eine der Herausforderungen bei der Kernenergie besteht darin, dass man in einem ersten Schritt normalerweise den Reaktor auf dem Papier entwerfen muss. Als Nächstes muss man das ganze Ding bauen", sagt White. Kairos versucht nun, einen anderen Weg einzuschlagen und testet die Komponenten während des Baus, um die Entwicklung zu beschleunigen und zu vermeiden, dass man in einer späten Bauphase stecken bleibt.

Auch bei der Entwicklung einer Gesamtanlage macht Kairos Fortschritte. Im Dezember erhielt das Unternehmen von der NRC die Genehmigung zum Bau von Hermes-1, seinem ersten Testreaktor. Hermes-1 wird etwa 35 Megawatt thermische Leistung erzeugen – heutige kommerzielle Reaktoren erzeugen in der Regel etwa 1.000 Megawatt Strom mit entsprechend höherer thermischer Leistung. Die Fertigstellung ist für das Jahr 2026 geplant. Auch mehrere andere Unternehmen verwenden Flüssigsalz oder TRISO-Brennstoff in ihren modernen Reaktorkonzepten. X-energy mit Sitz in Maryland entwickelt einen gasgekühlten Reaktor, der TRISO-Brennstoff nutzt – und TerraPower und GE Hitachi Nuclear Energy entwickeln einen natriumgekühlten Reaktor, der Flüssigsalz auch zur Energiespeicherung verwendet.

Es liegt noch ein langer Weg vor Kairos und anderen Firmen. Das Unternehmen plant den Bau von mindestens zwei weiteren großen Testkühlsystemen, bevor es die Teile für Hermes-1 zusammensetzt, sagt Technikchef Blandford. Außerdem muss das Unternehmen eine Betriebsgenehmigung für Hermes-1 erhalten – der zweite von zwei Schritten, die es bei der NRC durchlaufen muss. Als Nächstes folgt Hermes-2, das zwei Reaktoren ähnlicher Größe und Bauart wie Hermes-1 sowie ein System zur Umwandlung der erzeugten Wärme in Strom umfassen wird. Schließlich wird das Unternehmen zu größeren, kommerziellen Reaktoren übergehen. All dies wird einige Zeit in Anspruch nehmen, aber Kairos und seine Wettbewerber sind überzeugt, dass sich das Ergebnis lohnt. "Unsere Technologie ist einzigartig", sagt Blandford, "und sie eröffnet einzigartige Möglichkeiten, in Bereiche vorzudringen, die andere Technologien nicht können".

(jle)