Für die Technik von morgen: Von Quantenpunkten zu Quantentechnologien

Quantentechnologien ermöglichen Durchbrüche bei Halbleiter-Bauelementen und neuartige Anwendungen wie etwa Quantenkryptographie.

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Diese Aufnahme mittels Querschnitts-Rastertunnelmikroskopie zeigt GaSb/GaAs/GaP-Quantenpunkte, die mithilfe der Gasphasenepitaxie an der TU Berlin gewachsen wurden.

Lesezeit: 21 Min.
Von
  • Dieter Bimberg
Inhaltsverzeichnis

Die Eigenschaften elektronisch nulldimensionaler Quantenpunkte in Halbleiter-Heterostrukturen unterscheiden sich fundamental von jenen in höherdimensionalen Strukturen wie Quantengräben. In Quantenpunkten ist die Energie von Ladungsträgern keine Funktion des Impulses. Ihre Eigenschaften gleichen jenen von Atomen, die in einer dielektrischen Matrix eingebettet sind. Basierend auf Gasphasen- oder Molekularstrahlepitaxie wurden in den letzten Jahren photonische und elektronische Bauelemente entwickelt, die völlig neue Anwendungen ermöglichen. Dazu gehören Quantenkryptographie, neuartige nichtflüchtige Speicher und ein energieeffizientes, hochbitratiges Internet.

Das Zeitalter der Informationsgesellschaft ab Mitte des 19. Jahrhunderts begann mit der Entwicklung siliziumbasierter Verbindungen und Technologien. Die Herstellung integrierter elektronischer Schaltkreise (SiICs) begann vor etwa 60 Jahren. Zu ihren ersten kommerziellen Anwendungen gehörten Hörgeräte. Heute sind siliziumbasierte integrierte Schaltkreise Bestandteil fast aller Alltagsgegenstände und Grundlage der Informationsgesellschaft.

Der Autor

Dieter Bimberg studierte Mathematik, Philosophie und Physik in Tübingen und Frankfurt am Main, wo er in Physik promovierte. Für die Max-Planck-Gesellschaft baute er ab 1972 das Hochfeld-Magnetlabor in Grenoble auf, wo er eine Arbeitsgruppe für optische Spektroskopie leitete. 1979 nahm er einen Ruf an die RWTH Aachen an. 1981 folgte er der Bitte der TU Berlin, den Studiengang Angewandte Physik aufzubauen, wo er 21 Jahre geschäftsführender Direktor des Instituts für Festkörperphysik und Gründer des Zentrums für Nanophotonik war. Gastaufenthalte führten ihn an das Technion in Haifa, das Royal Signals and Radar Establishment in Malvern (UK), die HP Labs in Palo Alto, die University of California in Santa Barbara und die King Abdulaziz University in Jeddah (Saudi-Arabien). Seit 2018 leitet er ein neues Zentrum für „Grüne Photonik“ der Chinesischen Akademie der Wissenschaften In Changchun. Er ist Mitglied bzw. Foreign Fellow der Deutschen, Russischen und Amerikanischen Akademien der Wissenschaften.

Verfahren wie Molekularstrahlepitaxie (MBE) oder Gasphasenepitaxie (MOCVD) zur Herstellung von Materialien, deren Ausdehnung in allen drei Raumdimensionen nur wenige Nanometer beträgt, also von „nulldimensionalen“ Quantenpunkten, und deren Einbettung in andere Materialien, eröffnen heute völlig neue Möglichkeiten, quantenmechanische Effekte einzusetzen. Ziel dabei ist es, elektronische und damit auch optische und elektrische Eigenschaften komplexer Strukturen gezielt zu ändern. Diese Eigenschaften hängen von der Form und Größe der Quantenpunkte ab. Deren Ausdehnung in allen drei Raumrichtungen sollte unter der De-BroglieWellenlänge der Ladungsträger liegen, damit die Quantenmechanik dominiert. Quantenpunkte ermöglichen neuartige elektronische und photonische Bauelemente. Drei Beispiele hierfür, die auf einem, wenigen und sehr vielen Quantenpunkten basieren, werden unten beschrieben.

Diese Artikel wurde zuerst abgedruckt im Physik Journal 8/9, 2020.

Die Entdeckung neuer physikalischer Effekte in den einfachsten niederdimensionalen Halbleiterstrukturen – zweidimensionalen Quantengräben – und deren Nutzung für Halbleiterlaser geht wesentlich auf die Arbeiten von zwei Physikern bei den Bell Labs zurück. Ray Dingle und Charles Henry reichten 1976 ein Patent über Quantengrabenlaser ein. Dabei beschrieben sie als Vorteile der reduzierten Dimensionalität unter anderen eine verringerte Schwellstromdichte, bei der die Laseremission einsetzt. Sie zeigten, wie sich die Zustandsdichte von Elektronen beim Übergang von drei zu zwei und schließlich eindimensionalen Strukturen ändert. Diese Änderungen gelten als bestimmender Faktor für alle Eigenschaften des Materials und deren Bauelemente.

Erst viel später betrachteten zwei japanische Gruppen an der Universität Tokio und am Tokyo Institute of Technology (TIT) nulldimensionale Strukturen. Die Gruppe um Suematsu am TIT berechnete 1986, dass sich der Materialgewinn um einen Faktor 20 vergrößert und die Schwellstromdichte gleichermaßen für Quantenpunkt-basierte Laser sinkt, die auf InP oder GaAs-basierten Heterostukturen beruhen. Diese theoretischen Betrachtungen gingen von Heterostrukturen aus, deren unterschiedliche Schichten identische Gitterkonstanten besitzen. Vor dreißig Jahren galt dies als Voraussetzung für defektfreie Strukturen und ist bis heute Bestandteil der Technologie vieler photonischer Bauelemente. In den darauffolgenden acht Jahren gab es enorme Anstrengungen, um die Vorteile derartiger Quantenpunkt-basierter Laser zu demonstrieren. Dies gelang auf Basis der seinerzeit verwendeten Technologien aus verschiedenen Gründen nicht, woraufhin die internationalen Aktivitäten rasch abklangen.

Oberflächenphysiker klassifizieren die Wachstumsmodi für das kohärente Wachstum eines Materials auf einem zweiten Material in drei Gruppen. Für den Fall identischer Gitterkonstanten, zum Beispiel AlGaAs auf GaAs, ergibt sich häufig ein zweidimensionales Wachstum Monolage auf Monolage – mit Stufen und Rauigkeiten. Bei unterschiedlichen Gitterkonstanten können kohärent dreidimensionale Cluster wachsen. Alternativ kann bei Strukturen mit unterschiedlichen Gitterkonstanten im Stranski-Krastanov-Wachstumsmodus zuerst eine (ebenfalls raue) und wenige Monolagen dicke Benetzungsschicht entstehen, auf der dann dreidimensionale Cluster wachsen. Die theoretische Beschreibung dieses Wachstums ist komplex, da sowohl Gitterkonstanten-Fehlanpassung mit der elastisch anisotropen Wachstumsoberfläche als auch kanteninduzierte Verspannungen vorliegen. Zudem ändern die Verspannungen die Oberflächenrekonstruktion und bewirken eine Renormalisation der Oberflächenenergien der Inseln und der Benetzungsschicht. Für die Dynamik des Wachstums bei realen Temperaturen sind kinetische Effekte wichtig.

Die experimentell in meiner Arbeitsgruppe erstmals identifizierte und dann theoretisch bestätigte Selbstorganisation an verspannten Oberflächen setzt voraus, dass Atome an der Oberfläche ausreichend beweglich sind, was bei den typischen Wachstumstemperaturen der Quantenpunkte von einigen hundert Grad der Fall ist.

Aufnahmen mit dem Transmissionselektronenmikroskop (TEM) einer einzelnen Schicht von (InGa)As/GaAsQuantenpunkten zeigen die theoretisch vorher gesagte Pyramidenstruktur. Die einander selbst ähnlichen Quantenpunkte sind in einem quadratischen Muster angeordnet. Die Kanten der Grundfläche zeigen entlang der [100]- und [010]-Richtungen, da alle III-V-Verbindungen eine elastisch anisotrope (001)-Oberfläche besitzen. Eine Pyramidenform der Quantenpunkte in einer Einzelschicht haben wir sowohl für MOCVD als auch MBE-Wachstum von (InGa)As/GaAsQuantenpunkten mittels Querschnitts-TEM und Tunnelspektroskopie nachgewiesen. Die Form prägt dabei die elektronischen Eigenschaften.

Querschnitts-TEM-Aufnahmen gestapelter Quantenpunktschichten zeigen, dass sich die Quantenpunkte in den Schichten aufgrund der langreichweitigen elastischen Verspannungen vollständig defektfrei übereinander anordnen lassen. Dies ist von größter Bedeutung für unterschiedlichste Varianten Quantenpunkt-basierter Diodenlaser, die je nach Anwendung elektronisch gekoppelt oder ungekoppelt zu wachsen sind. Der überlegene Materialgewinn einer Einzelschicht lässt sich durch die defektfreie Stapelung in einen modalen Gewinn, der größer als die Verluste ist, umsetzen. Dies erklärt die real von uns gefundene geringste Dichte des Schwellenstroms aller Diodenlaser und die sonst unerreichte Effizienz bei der Umwandlung elektrischer in optische Energie.

Das verspannungsinduzierte selbstorganisierte Wachstum von Quantenpunkten ist universell. GaN-basierte Laser, die im Sichtbaren emittieren, besitzen Quantenpunkte als aktive Schichten. Exotische Beispiele sind die wenig erforschten InAs/SiQuantenpunkte für die Silizium-Photonik oder GaSb-Quantenpunkte auf (AlGa)P mit GaAs-Zwischenschichten für neuartige Nanoflashspeicher, die weiter unten beschrieben sind. Bei einem GaSb/GaAs/GaP-Quantenpunkt, der mittels Gasphasenepitaxie hergestellt wurde, sind einander benachbarte Oberflächen der Quantenpunktpyramiden inäquivalent zueinander (s. Titelbild). Dies ist von entscheidender Bedeutung für die im nächsten Abschnitt diskutierten elektronischen Eigenschaften: Quantenpunkte vierzähliger pyramidaler Form besitzen keine vierzählige, sondern nur eine zweizählige Symmetrie der elektronischen Eigenschaften.