Lkw der Zukunft: Batterien, Wasserstoff oder Oberleitung?

Seite 3: "Wasserstoff kann bei sehr weiten Strecken und schwerer Ladung mehr Flexibilität bieten."

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Ob solche Ansätze tatsächlich zu einem Game Changer in der Logistik werden, ist fraglich. "Was den fest eingebauten Batterien bisher vor allem im Wege stand, waren die langen Ladezeiten", meint Julius Jöhrens vom IFEU. "Aber da hat sich viel getan. Deshalb ist der Vorteil von Wechselsystemen nicht mehr so groß."

Ob fest eingebaut oder austauschbar – beide Ansätze fressen Nutzlast. Zwar fallen bei der Elektrifizierung unter anderem Dieselmotor, großes Getriebe, Tank und Abgasstrang weg. Doch unter dem Strich wiegen Elektro-Lkws trotzdem noch mehr als ihre Diesel-Pendants. Beim Sattelschlepper DAF CF beträgt die Differenz beispielsweise zwei Tonnen, beim 19-Tonner DAF LF eine Tonne. Das klingt verkraftbar. Allerdings beträgt die Reichweite der beiden Modelle laut Hersteller auch nur 220 beziehungsweise 280 Kilometer. Mit größeren Batterien öffnet sich die Schere weiter.

Dieser Effekt werde in der Öffentlichkeit allerdings "erheblich überschätzt", meint Patrick Plötz, Leiter des Geschäftsfelds Energiewirtschaft beim Fraunhofer ISI. "90 Prozent der Lkw-Fahrten sind volumenbegrenzt, nur 10 Prozent sind von einer Beschränkung der Nutzlast betroffen."

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Ein seit den 1940ern bewährtes System könnte den Batteriebedarf weiter senken: Oberleitungen. In Solingen, Eberswalde und Esslingen sind O-Busse immer noch im Einsatz. Weltweit sind sie zum Teil auch auf Überlandstrecken unterwegs.

Für Lkws wird diese Technik gerade wiederentdeckt. Derzeit gibt es drei deutsche Teststrecken – an der A5 in Hessen, an der A1 in Schleswig-Holstein sowie an der B462 in Baden-Württemberg. "Die Oberleitung ist eine No-Regret-Lösung", sagt Hasso Georg Grünjes, bei Siemens für die Oberleitungsprojekte zuständig. "Sie ist sowohl kombinierbar mit Hybridantrieben als auch mit Batterien und Brennstoffzellen." Das bedeutet: Nur auf den zentralen Autobahnkorridoren ziehen die Lkws ihren Strom aus dem Fahrdraht, auf Nebenstrecken sind sie aus eigener Kraft unterwegs.

Schon mit einem Netz von 4.000 Kilometern, etwa einem Drittel aller deutschen Autobahnen, ließen sich knapp zwei Drittel der Fahrleistungen abdecken, hat das ISI berechnet. Für die restlichen Strecken bräuchten Lkws nur noch eine Reichweite von rund 100 Kilometern – und entsprechend kleinere Batterien.

Die Stromabnehmer orientieren sich eher an Bahnen als an O-Bussen. Deren lange Strom-Peitschen sind nicht für höhere Geschwindigkeiten geeignet, erklärt Grünjes.

Ein Spurhalteassistent dient dabei als digitale Schiene. "Anfänglich haben wir mit Stromabnehmern gearbeitet, die seitlich nachsteuern", erzählt Grünjes. "Die haben gut funktioniert, waren aber auch groß und komplex. Dann haben autonome Autos große Fortschritte gemacht. Nun werden die Lkws spurgeführt." Weicht der Fahrer vom optimalen Korridor ab, spürt er einen Widerstand am Lenkrad. Hält er trotzdem Kurs oder setzt einen Blinker, wird der Abnehmer automatisch eingefahren.

E-Lkw über 20 Tonnen
Modell Batterie* Reichweite** Ladeleistung Leistung Zul. GG Anmerkungen
kwH brutto
km kW kW (Dauer - Spitze) t
DAF CF Electric 350 220 250 210 – 240 37 LFP-Zellen
Futuricum High Cab Semi 40 E 900 500 350 k.A. – 500 40 Umrüstung von Volvos
MAN eTGM 185 190 150 k.A. – 264 26
Mercedes eActros 448 400 160 330 – 400 27
Nikola TRE BEV 753 560 240 480 – k.A. 37 hergestellt von IVECO in Ulm
Renault D Wide Z.E. 200 200 150 260 – 370 27 ab 2022 kein paralleler Diesel mehr für Verteilverkehr
Scania 300 250 130 230 – 295 29
Volvo FE Electric 264 200 150 225 – 400 27
Technik aus E-Bussen
Volvo FH Electric 540 345 250 490 – 600 40
Technik aus E-Bussen
*bei mehreren Konfigurationen jeweils die größtmögliche; ** Herstellerangaben. Bei konventionellen Lkw wird der Verbrauch über das Tool „Vecto“ berechnet. Das Verfahren lässt sich nicht auf Elektroantriebe übertragen. Eine Vecto-Variante für E-Lkw wird frühestens 2024 erwartet.

In den Pilotprojekten überträgt die Oberleitung 300 bis 400 kW. Zum Fahren reichen etwa 150 kW. Es bleibt also genug Leistung übrig, um unterwegs die Batterie zu laden.

Nach einer ähnlichen Logik funktioniert auch die Stromübertragung über den Boden. Die IPT Technology GmbH etwa betreibt eine Teststrecke von 100 Metern im belgischen Lommel sowie eine von 80 Metern in Mannheim, bei der in die Fahrbahn eingelassene Spulen per Induktion berührungslos bis zu 200 kW an Fahrzeuge übertragen. Bei Braunschweig soll im Laufe des Jahres eine ähnliche Teststrecke gebaut werden. Nach dem Vorbild der Carrerabahn funktioniert eine zwei Kilometer lange Teststrecke in Schweden, bei der eine Stromschiene in die Straße eingelassen ist.

Für solche Konzepte muss allerdings die gesamte Fahrbahn aufgefräst werden. Zudem ist unklar, wie es um Wartung, Haltbarkeit und Sicherheit bestellt ist. "Bei allen Systemen, die bei einem Unfall oder Stau in Reichweite von Personen sind, ist die Sicherheit schwer zu gewährleisten", gibt Hasso Georg Grünjes von Siemens zu bedenken. IFEU-Forscher Jöhrens glaubt daher: "Oberleitungen sind technisch am ausgereiftesten, wenn es darum geht, das System möglichst schnell auf die Straße zu bringen."