Missing Link: Chinas neue Autoindustrie zielt auf den elektrischen Weltmarkt

Seite 2: Green Tech für den Globalen Süden

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Zuletzt deutet sich an, dass China auch im Globalen Süden seine Elektrifizierungs-Agenda vorantreiben will. Im Jahr 2022 übertrafen Chinas Exporte in den Globalen Süden erstmals diejenigen in die G20-Staaten. Besonders interessanter Zielmarkt ist der afrikanische Kontinent.

China hat die EU und die Vereinigten Staaten als bedeutendsten Wirtschaftsakteur in Afrika überholt. Heute ist es die wichtigste Quelle ausländischer Direktinvestitionen auf dem Kontinent. Darüber hinaus ist China mittlerweile auch Afrikas zweitgrößter Handelspartner nach der Europäischen Union, mit einem Umsatz von rund 261 Milliarden Euro im Jahr 2023.

Denn auch afrikanische Staaten setzen zunehmend auf Elektrifizierung, insbesondere beim öffentlichen Verkehr. In Kenia und Nigeria werden erste Schritte in diese Richtung unternommen. Auch Marokko positioniert sich als Produktionsstandort für Elektrofahrzeuge – und chinesische Unternehmen stehen im Mittelpunkt dieser Pläne.

Chinas Rezept einer Elektrifizierung des heimischen Marktes für private und öffentliche Fahrzeuge gepaart mit dem Aufbau einer heimischen Industrie, die diese Fahrzeuge liefern kann, ist auch für Länder des Globalen Südens attraktiv.

In der nigerianischen Hauptstadt Lagos streben die dortigen Verkehrsbetriebe die Elektrifizierung ihrer Busflotte an. Die Lagos Metropolitan Area Transport Authority (Lamata) plant in den nächsten sieben Jahren in der größten Stadt Afrikas den Einsatz von 12.000 Elektrobussen – das wäre nach Shenzhen die weltweit größte elektrische Busflotte. Sie ist dazu eine Partnerschaft mit Oando Clean Energy eingegangen, einer Tochterfirma von Nigerias größtem Energieunternehmen Oando, die laut Vereinbarung auch die Finanzierung der Busse und Ladestationen übernimmt.

Die Busse kommen vom chinesischen Nutzfahrzeugbauer Yutong und sollen an Produktionsstätten vor Ort montiert werden. Yutong mit Hauptsitz in Zhengzhou in der Provinz Henan ist neben BYD einer der weltweit größten Bushersteller. In Nigeria und Äthiopien verfügt Yutong über eigene Produktionsstätten.

Auch die kenianische Hauptstadt Nairobi bereitet sich auf eine batterieelektrische Zukunft vor. Im Juli 2023 unterzeichneten das kenianische Elektrofahrzeugunternehmen Autopax und der chinesische Autohersteller SGMW eine Partnerschaftsvereinbarung zur Produktion kostengünstiger Elektrofahrzeuge. Der in China erfolgreiche Elektro-Kleinwagen Wuling Mini, der dort nur umgerechnet 5000 US-Dollar kostet, soll vor Ort als Lizenzbau gefertigt werden. Kenia verfügt heute über eine Stromerzeugungsquote von 80 Prozent aus erneuerbaren Energien und ein wesentlich stabileres Netz als noch vor Jahren.

Auch Marokko wird zum E-Mobilitätsschwerpunkt. Das nordafrikanische Land verfügt über wichtige Mineralien, bietet Steueranreize und kann mit einem Lohnniveau punkten, das weit unter dem des benachbarten Spaniens liegt. Zudem ist Marokko als Automobilstandort bereits etabliert, Stellantis und Renault produzieren jährlich etwa eine Million Fahrzeuge. Vor allem die Nähe zum europäischen Markt macht den Standort für chinesische Unternehmen attraktiv.

Im Jahr 2016 besuchte Chinas Staatspräsident Xi Jinping Marokko, bei dieser Gelegenheit kündigte er gemeinsam mit König Mohammed die Errichtung des Wissenschafts- und Technologiezentrums "Mohammed VI Tangier Science and Technology City" an. Nach einigen Verzögerungen kommt das Projekt jetzt in Gang.

Unter den Firmen, die dort demnächst produzieren wollen, ist Gotion High-Tech, die eine 5,5 Milliarden Euro teure Fabrik zur Herstellung von Batterien für Elektroautos plant. Das Batterie-Startup aus Shenzhen ist hierzulande bekannt durch sein Joint Venture mit Volkswagen, gemeinsam bauen die beiden Unternehmen in Salzgitter eine Batteriefertigung auf. Angekündigt hat sich auch der chinesische Hersteller von Batterieteilen CNGR Advanced Material, der mit einem lokalen Partner 2 Milliarden Euro in eine Fabrikationsanlage investieren will.

Der chinesische Botschafter in Marokko, Li Changlin ist zuversichtlich, dass China so "zum wichtigen Player in der marokkanischen Elektrofahrzeugindustrie" werden wird und "Industrialisierungsprozess Marokkos" beitragen wird, berichtet die South China Morning Post.

Diese Äußerung verdeutlicht den chinesischen Blick auf Infrastrukturen als Motor des Fortschritts im Globalen Süden.

In einer Studie zu Chinas internationaler Entwicklungszusammenarbeit erläutert Marina Rudyak, Sinologin an der Universität Heidelberg und Expertin für Chinas Entwicklungspolitik, diese Perspektive: "Während China die Vorstellung von Afrika als einem Land voller Möglichkeiten fördert, wird der Westen von Afrika so wahrgenommen, als würde er den Kontinent immer noch hauptsächlich unter humanitären und sicherheitsbezogenen Gesichtspunkten betrachten und nicht als einen Ort strategischer Möglichkeiten."

Aus chinesischer Perspektive ist Afrika in erster Linie ein Kontinent mit Entwicklungspotenzial, unter anderem für eine möglicherweise vorwiegend elektrische Motorisierung.

Hierzulande sieht man Afrika in kolonialer Tradition nach wie vor in erster Linie als Lieferant von Rohstoffen – von Metallerzen, Erdöl oder neuerdings auch von "grünem Wasserstoff".

(bme)