Missing Link: Zur digitalen Lage der Nation

Seite 4: Zukunft der Digitalisierung der Verwaltung

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Wie löst man den Knoten? Wer soll es denn treiben?

Ich bin gespannt, ob es so weiterläuft. Natürlich sagt jede Regierung, jetzt wird alles gut. Aber auch die vorletzte Regierung hatte das Thema schon auf der Agenda, und auch die vorvorletzte. Die Themen sind 20 Jahre alt. Da waren diese Fragen zu stellen und man hat sich immer drumherum gemogelt. Man hat nie gefragt, passt unsere föderale Zuständigkeit, die sich über das Geld manifestiert, zu den Anforderungen der neuen digitalen Welt. Deswegen nutze ich immer den Begriff digitale Infrastruktur.

Klar, die Infrastruktur Autobahn ist Bundessache. Und für mich sind sichere digitale Netze Autobahnen. Die Länder können dann die Abzweige zu den Landesstrassen schaffen und die Kommunen die Abzweige von den Landstraßen. Aber wenn das Autobahnsystem nicht zur Verfügung stehen, dann wird das nichts.

Ihre Kritik zielt also auf den Föderalismus…

Nicht der Föderalismus ist das Problem, sondern wie die Verantwortlichkeiten für Digitalisierungsaufgaben im Föderalismus verteilt sind. Für die Digitalisierung brauchen wir zentrale Infrastruktur. Ich muss mich sicher anmelden können, sonst kann ich nichts machen. Ich brauche Kommunikationsmittel, sonst bleibe ich stumm. Hier in der analogen Welt kann ich laut rufen. In der digitalen Welt brauche ich digitale Kommunikationsmittel, sonst kann ich nicht kommunizieren. Ich muss Daten austauschen und sicher ablegen können. Das gehört alles zur digitalen Infrastruktur.

Schulen, Arbeitsämter, Meldestellen – und ihr Gegenüber, der Bürger – alle brauchen diese Infrastruktur. Die Systeme müssen sicher sein und einfach zu bedienen, sodass ich mit meiner Anwendung – das ist dann das Auto – einfach auf dieser Infrastruktur unterwegs sein kann. Alles, was vonseiten der Infrastruktur bereitgestellt wird, braucht der Anwendungsbauer, als der Konstrukteur des Autos nicht mehr zu machen.

Jedem wird einleuchten, dass solche Infrastrukturprojekte so weit oben wie möglich angesiedelt werden müssen. Wir wollen ja nicht am Ende unterschiedlich breite Autobahnen oder Gleise haben. Und im Vergleichen zu kleineren Ländern haben wir doch das Glück, dass das bei uns viel effektiver erreicht werden könnte, einfach weil es von viel mehr Leuten genutzt wird. Das ist meine zentrale Kritik. Dass über diese Notwendigkeit nicht ausreichend nachgedacht wird und dass wir am Klein-Klein sich überschneidender Projekte festhalten.

Jedem sein eigenes Projekt…

Genau. Vielleicht ist unser Fluch, dass Deutschland so reich ist und keiner aufschreit, wenn überall dasselbe erfolglos noch einmal gemacht wird. Schauen wir in die baltischen Staaten. Die hatten viel weniger Geld als wir. Das wenige Geld investierten sie in das, was billig war: digitale staatliche Infrastrukturen für ihre Bürger. Möglich, dass hierzulande der Kostendruck durch Corona und Krieg die öffentlichen Haushalte nun so belastet, dass auch wir nach der effektivsten Möglichkeit zur Digitalisierung unseres Staatswesens suchen.

Professor Meinel, vielen Dank für das Gespräch.

(bme)