Unser Gehirn nutzt Effekte des Quantencomputings – ergibt ein Experiment

Forscher haben in MRT-Signalen des Gehirns Hinweise auf quantenmechanische Verschränkung gefunden.

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(Bild: Skorzewiak/Shutterstock.com)

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Nutzen biologische Gehirne Quanteneffekte und lassen sich damit ihre verblüffenden Fähigkeiten erklären? Die These sorgt seit Jahren für hitzige Diskussionen unter Wissenschaftlern. Ein aktuelles Paper im "Journal of Physics Communications" könnte nun für weiteren Gesprächsstoff in dieser Debatte sorgen.

Darin beschreiben Christian Kerskens und David López Pérez vom Trinity College in Dublin Signale in MRT-Messungen an Hirnwasser, die Herzschlag-erregten Potenzialen ähneln. Solche Herzschlag-induzierten Signale ließen sich bislang nur in EEG-Signalen, also Messungen von Hirnströmen nachweisen.

Elektrophysiologische Potenziale wie die Herzschlag-erregten Potenziale sind normalerweise nicht mit MRT nachweisbar, die Wissenschaftler glauben, dass sie sie nur beobachten konnten, weil die Kernspins der Protonen im Gehirn verschränkt waren.

Kerskens und seine Kollegen waren eigentlich auf der Suche nach einem nicht weniger exotischen Forschungsgegenstand – sie wollten einen Beleg für eine Theorie der Quantengravitation finden, die allgemeine Relativitätstheorie und Quantenfeldtheorie miteinander verbinden soll. Dreh und Angelpunkt dabei war die Idee, dass sich zwei bekannte Quantensysteme mit einem unbekannten System wechselwirken lassen können. "Wenn sich die bekannten Systeme verschränken, dann muss auch das unbekannte System ein Quantensystem sein", erklärt Kerskens.

Das untypische Signal in ihren Messungen bedeutet nach Auffassung der Forscher, dass die Protonenspins im Hirnwasser zeitweise miteinander verschränkt gewesen sein müssen. Dies bedeute, "dass Gehirnprozesse mit den Kernspins interagiert haben müssen und die Verschränkung zwischen den Kernspins vermittelt haben. Daraus können wir ableiten, dass diese Gehirnfunktionen Quanten sein müssen".

Da diese Gehirnfunktionen auch mit der Leistung des Kurzzeitgedächtnisses und dem Bewusstsein korreliert sei, sei es "wahrscheinlich, dass diese Quantenprozesse ein wichtiger Bestandteil unserer kognitiven und bewussten Gehirnfunktionen sind." Allerdings, so schränken die Forscher ein, funktioniere diese Argumentation nur, wenn die Verschränkung der Protonen die einzig mögliche Erklärung für die gemessenen Signale sei.

Bereits in den 1990er Jahren hatte der britische Mathematiker Roger Penrose postuliert, dass sich die Leistung biologischer Gehirne nicht durch klassische Physik erklären lässt – er glaubte allerdings auch, dass auch die bekannte Quantenmechanik nicht ausreichen würde, sondern nur eine völlig neue Art von Physik. Allerdings ließen sich seine Hypothesen nicht direkt durch Experimente prüfen.

2015 erhielt die Kontroverse allerdings neue Nahrung. In ihrem Buch "Der Quantenbeat des Lebens" skizzierten der Kernphysiker Jim Al-Khalili und der Molekulargenetiker Johnjoe McFadden eine neue Theorie des Lebens: Es "unterscheidet sich von unbelebten Objekten, weil eine relativ kleine Zahl hochgeordneter Teilchen einen ganzen Organismus entscheidend beeinflussen können".

Kritiker des Konzeptes der Quantenbiologie wenden ein, dass Quantensysteme extrem empfindlich sind. Die quantenmechanische Überlagerung würde in "nassen, warmen Umgebungen" sehr schnell wieder zerfallen – zu schnell, um wirksam zu werden. Andererseits haben jüngst Forschungsarbeiten gezeigt, dass der Magnetsinn von Vögeln mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Quanteneffekten beruht.

Um die Ergebnisse des Teams bestätigen zu können, sind allerdings "fortgeschrittene multidisziplinäre Ansätze" erforderlich, schreiben die Forscher. Die Diskussion über eine Quantennatur des Gehirns wird also weitergehen.

(wst)