Weg von der Gasheizung: Welche Optionen es für Mehrfamilienhäuser gibt

Seite 4: Neue Quellen für die Fernwärme

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Fernwärme stammt bislang überwiegend aus Blockheizkraftwerken, die mit Gas oder Kohle betrieben werden. Sie sind zwar relativ effizient, aber nicht CO2-frei. In dem Maße, in dem fossile Kraftwerke vom Netz genommen werden, müssen sich die Betreiber von Wärmenetzen nach anderen Wärmequellen umsehen. Ein Ausweg sind sogenannte "Niedertemperaturnetze": Statt mit 80 bis 130 Grad werden sie mit weniger als 70 Grad betrieben. Dadurch erschließen sich ganz neue Wärmequellen – Solarthermie, Geothermie oder Abwärme von Industriebetrieben, Klärwerken und Rechenzentren. In Hamburg etwa wird bereits 50 Megawatt Abwärme eines metallverarbeitenden Betriebs ins Wärmenetz eingespeist. Reicht das Temperaturniveau nicht aus, kann eine Großwärmepumpe es anheben.

Moderne Fernwärmeleitungen haben nichts mehr mit den wuchtigen Stahlrohren gemein, die sich quer durch viele Industriegebiete ziehen. Für Niedertemperaturnetze reichten rund 15 Zentimeter dicke, fertig isolierte Doppelrohre aus Kunststoff, die sich von der Rolle verlegen lassen, sagt Dietrich Schmidt.

2019 wurden nach Angaben des Fernwärmeverbands AGFW neue Wärmenetze mit einer gesamten Länge von 180 Kilometern gebaut und bestehende Netze um 270 Kilometer erweitert – unter anderem in Dresden, Chemnitz, Essen, Nordhausen, Mühlhausen, aber auch in kleineren Kommunen wie Kaltennordheim und Olbersdorf.

Dass Fernwärme nicht nur bei großen Plattenbauten oder Neubauvierteln Sinn macht, zeigt ein Projekt im Iserlohner Stadtteil Gerlingsen. Er ist geprägt von einer kleinteiligen Bebauung mit vielen Mehrfamilienhäusern. 83 Prozent der Gebäude werden mit Gas geheizt, der Rest mit Öl. Bis Ende 2021 wollen die Stadtwerke dort knapp 2,3 Kilometer Wärmeleitungen unter den Straßen oder Gehwegen verlegen. Die Emissionen sollen durch einen Anschluss an das Wärmenetz von 277 auf 44 Kilogramm CO2 pro Megawattstunde sinken.

Bei der Wohnungswirtschaft habe man damit "offene Türen" eingerannt, schreibt Thomas Armoneit, Technischer Leiter der Stadtwerke Iserlohn, im Magazin "Euro Heat & Power". In "kürzester Zeit" seien 75 Prozent der prognostizierten Anschlüsse verkauft worden.

Allerdings rechnet sich das Ganze für die Stadtwerke nur mit europäischen Fördergeldern, denn der Aufwand ist gewaltig. Oft werden die Leitungen laut AGFW zwar verlegt, wenn die Straße wegen einer Kanalsanierung oder der Installation von Glasfaserleitungen ohnehin aufgerissen werden muss. Aber das geht nicht immer. Dazu kommt: Viele Mehrparteienhäuser haben keine Zentral-, sondern Etagenheizungen. Also müssen sämtliche Wohnungen einzeln an einen zentralen Wasserkreislauf angeschlossen werden.

Um nicht in jeder Etage Löcher in den Boden stemmen zu müssen, lassen sich die Verbindungsrohre auch außen, zwischen Wand und Dämmung, anbringen. Doch dies bringt ein weiteres Problem mit sich: "Auf einmal ist der Fassadenbauer für die Dichtigkeit der Rohre zuständig", sagt Fraunhofer-Forscher Dietrich Schmidt. "Damit haben die Gewerke ein Problem."

Gehört ein Haus nicht einem Immobilienunternehmen oder einer Genossenschaft, sondern einzelnen Wohnungseigentümern, wird es noch komplizierter: "Es gibt nicht sehr viele Gebäude, wo alle Eigentümer einer umfassenden Sanierung zustimmen", sagt Fabian Ochs von der Uni Innsbruck. "Nicht-technische Probleme sind oft die härteren."