Bitcoin-Comeback: Plötzlich boomt Krypto wieder

Kryptowährungen wurden schon als moderne "Tulpenzwiebeln" abgeschrieben, nun meldet sich die Anlageklasse dank Bitcoins Höhenflug zurück.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 179 Kommentare lesen
Güldene Münze mit Bitcoin-Logo steht auf einem Holztisch

(Bild: interestingworks/Shutterstock.com)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Nils Jacobsen
Inhaltsverzeichnis

Das Ende schien nah. Als die einst gehypte Kryptowährung Bitcoin bei Kursen von nur 16.000 Dollar ins neue Jahr startete, sah es nach der klassischen Aufstiegs- und Fall-Geschichte aus, die Skeptiker der kontrovers diskutierten Kryptowährung immer prophezeit hatten – schließlich lagen die Allzeithochs 14 Monate zuvor noch bei 69.000 Dollar. Der Kursverfall betrug in der Spitze fast 80 Prozent.

Doch Totgesagte leben länger – wieder einmal. Das Auf und Ab des Bitcoin-Preises scheint zu der wertvollsten Kryptowährung der Welt zu gehören wie das Halving, bei dem sich die Belohnung für das Mining neuer Bitcoins halbiert. Seit der Einführung des Bitcoins im Jahr 2009 wechselten sich Bullen- und Bärenmärkte – also Perioden steigender und fallender Notierungen – alle zwei Jahre ab. 2013, 2017 und 2022 erreichte die digitale Währung ihr jeweiliges Hoch, 2014, 2018 und 2022 ihr zyklisches Tief.

Entsprechend läuft eigentlich alles nach Plan: Der Tiefpunkt des gegenwärtigen Zyklus wurde Ende 2022 / Anfang 2023 erreicht, während in der Folge die sogenannte Akkumulierungsphase der Cyberdevise begonnen hat. Seit Oktober jedoch beginnt der Bitcoin massiv nach oben auszubrechen: Bei Kursen von über 37.000 Dollar ging die Cyberdevise in die neue Woche – und markiert damit den höchsten Stand seit 18 Monaten.



Wie ist der plötzliche Boom zu erklären, mit dem – zumindest medial – die wenigsten gerechnet hatten? Einerseits verläuft der neue Höhenrausch, der den Bitcoin-Kurs seit Januar um mehr als 120 Prozent nach oben befördert hat, wie ein Uhrwerk nach den Vorgaben vergangener Zyklen. Das allerdings fast zu gut: Denn in den sechs Monaten vor dem Halving brach der Kurs der meistbeachteten Kryptowährung der Welt in Zyklen 2016 und 2020 um 20 bis 38 Prozent ein. Entsprechend volatil könnten die nächsten Monate noch werden.

Andererseits hat Bitcoin zuletzt auch fundamental viel Rückenwind erfahren. Seit Wochen beflügeln Gerüchte um die Einführung von ETFs (Exchange Traded Funds) den Kurs. Die Bedeutung von Indexfonds auf Bitcoin kann kaum hoch genug eingeschätzt werden, schließlich wird die umstrittene Kryptowährung damit auch auf dem Massenmarkt der Wall Street zugänglich. Bislang nämlich mussten Anleger, die in Bitcoin investieren wollten, den Weg über Wallets bzw. Kryptobörsen gehen.

Vielen Anlegern mag der native Bitcoin-Kauf jedoch technisch zu mühsam und unsicher erscheinen – entsprechend groß ist der Wunsch, die Web-Währung wie eine klassische Devise oder einen Rohstoff über ein Investmentvehikel wie einen ETF zu handeln. Ein ETF-Listing, das von der US-Börsenaufsicht SEC genehmigt werden muss, wird nun nach übereinstimmenden Meldungen von den Branchengrößen Blackrock, Fidelity, Wisdom Tree oder Ark Investment von Starfondsmanagerin Cathie Wood angestrebt. Als für Gold und Silber 2003 ETFs auf den Markt gebracht wurden, erfuhren die Edelmetalle an der Wall Street in der kommenden Dekade einen Aufschwung von fast 500 Prozent, weil sie auf diese Weise auch dem Kleinanleger zugänglich gemacht wurden.

Doch nicht nur Anleger und Spekulanten profitieren von der wieder aufkommenden Bitcoin-Euphorie, sondern auch Techunternehmen, in deren Geschäftsmodell Bitcoin und andere Kryptowährungen eine tragende Rolle spielen. Dies sind in erster Linie die sogenannten Mining Companies, die sich wie das Pendant der Bergbauunternehmen, die Rohstoffe fördern, auf digitale Weise dem Schürfen der bekanntesten Kryptowährungen der Welt verschrieben haben: dem sogenannten "Mining".

Bitcoin-Mining ist ein komplexer Prozess, bei dem leistungsstarke Computer komplexe mathematische Probleme lösen, um Transaktionen zu verifizieren und neue Bitcoins zu schaffen. US-Unternehmen wie Riot Platforms und Marathon Digital Holdings dominieren den Mining-Markt. Mit ihrem hoch spezialisierten Equipment und enormen Rechenleistungen haben sie einen Wettlauf um die effizienteste Mining-Hardware entfacht. CleanSpark, Cipher Minung und das kanadische Unternehmen Hut 8 Mining sind ebenfalls bedeutende Akteure auf dem Krypto-Infrastruktur-Markt. Die Aktien der Miner legten gegenüber dem Bitcoin-Kurs mit Wertsteigerungen von 200 bis 300 Prozent sogar überproportional zu.

Doch der Energieverbrauch von Bitcoin-Mining steht zunehmend im Fokus. Kritiker argumentieren, dass der Energieverbrauch des gesamten Bitcoin-Netzwerks mit dem eines kleinen Landes vergleichbar ist. Unternehmen wie Riot Blockchain suchen daher nach umweltfreundlichen Lösungen, um die Nachhaltigkeit des Minings zu verbessern.
Die Branche wird jedoch nicht nur von großen Unternehmen dominiert. Einige Kryptoenthusiasten setzen auf das Konzept des "Mining-Pools", bei dem individuelle Miner ihre Ressourcen bündeln, um die Gewinnchancen zu erhöhen. Slush Pool und F2Pool gehören zu den bekanntesten Pools, die eine breite Basis von Minern weltweit ansprechen.

Medial noch weitaus größere Aufmerksamkeit haben Kryptobörsen auf sich gezogen. Als Tiefpunkt des Bärenmarkts gilt die Pleite der seinerzeit zweitgrößten Krypto-Handelsplattform FTX vor ziemlich genau einem Jahr. Auch die Aktie der Nummer eins der USA, Coinbase, sank in den Wirren immer weiter in die Tiefe und notierte im Jahresverlauf bei Kursen von nur noch 30 Dollar mehr als 90 Prozent unter dem Ausgabekurs von 2021.

Im Jahresverlauf jedoch schlug das Pendel wieder in die andere Richtung aus: Inzwischen leuchten an der Technologiebörse Nasdaq wieder Kurse von über 100 Dollar auf – Anteilsscheine von Coinbase haben seit Jahresbeginn um mehr als 200 Prozent zugelegt und gehören damit zu den erfolgreichsten Techaktien des Jahres.

Einen Sonderfall unter den Krypto-affinen Unternehmen stellt der frühere Softwarepionier Microstrategy dar, der zur Hochzeit der Internetblase Anfang der 2000er-Jahre seinen bisherigen Höhepunkt mit einer Bewertung von über 30 Milliarden Dollar erreichte und in der Folge einen Totalabsturz um 99 Prozent erlebte. Firmengründer Michael Saylor, der in den 10er-Jahren Bitcoin zunächst noch verlacht hatte, entdeckte jedoch nach einer 180-Grad-Wende die Vorzüge der mit 21 Millionen Münzen begrenzten Cyberdevise und begann ab Oktober 2020 zu investieren – und zwar in ganz großem Stil. Per 1. November hält Microstrategy 158.400 Bitcoin, die wiederum einem aktuellen Marktwert von 5,86 Milliarden Dollar entsprechen. Microstrategys Börsenwert ist mit 6,9 Milliarden Dollar nur unwesentlich höher.

Michael Saylor, der nach Angaben von Forbes inzwischen genau 17.732 Bitcoin hält, ist auf dem gegenwärtigen Niveau damit mehr als halber Dollar-Milliardär. (Sein exaktes Nettovermögen beträgt bei Kursen von 37.000 Dollar 656 Millionen Dollar.) Saylors Breakeven liegt bei ziemlich genau 30.000 Dollar. In der Kryptoszene ist Saylor längst zum Kultinvestor und zum größten Fürsprecher der Digitalwährung geworden.

Aktuell dürfte der inzwischen 58-Jährige damit neben den Winklevoss-Brüdern der größte bekannte Bitcoin-Besitzer sein. Das war einmal anders: Auf dem Gipfel des letzten Bullenmarkts 2021 investierte auch Elon Musk im großen Stil in die hoch gewettete Cyberdevise – persönlich und für Tesla. Zu Spitzenzeiten besaß der Elektroautopionier Bitcoin-Bestände in Höhe von über 2 Milliarden Dollar, dezimierte die Anteile im Folgejahr jedoch um 75 Prozent mit Verlusten. Inzwischen beträgt Teslas Bitcoin-Position nur noch rund 200 Millionen Dollar. Musk erklärte in der Vergangenheit, er selbst besitze Bitcoin, machte aber keine Angabe über die Höhe seines Investments.

Ansonsten bleibt Big Tech bei Kryptowährungen zumindest öffentlich noch eher zurückhaltend, obwohl es bei der Blockchain-Technologie längst zahlreiche Kooperationen beispielsweise mit Microsoft und Google gibt. Lediglich Apple-CEO Tim Cook hatte sich in der Vergangenheit positiv für Bitcoin ausgesprochen. "Ich interessiere mich schon seit einiger Zeit für Kryptos. Ich halte es für sinnvoll, es als Teil eines diversifizierten Portfolios zu besitzen", erklärte der Vorstandschef des wertvollsten Konzerns der Welt vor zwei Jahren. Er selbst – nicht aber Apple – habe in Bitcoin und Ethereum investiert, gab Cook zu. Wenn der Apple-Chef seine Positionen bis heute gehalten hat, könnte er sich in diesem Jahr über ein mehr als doppelt so großes Kursplus als die Apple-Aktie freuen.

(emw)