Die Milliarden-Pleite der Kryptowährungsbörse FTX und ihre Folgen

Der Zusammenbruch der Kryptobörse FTX Anfang November hat ein gewaltiges Kursbeben bei Bitcoin & Co. mit Verlusten von mehreren Hundertmilliarden Euro ausgelöst

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Ein massiver Vertrauensverlust hat Anfang November den Crash der drittgrößten Kryptobörse der Welt verursacht: Binnen weniger Tage plünderten die Kunden ihre Konten bei FTX, am Ende war das Unternehmen zahlungsunfähig und beantragte Gläubigerschutz. Dabei hatte man Kunden in aller Welt mit dem Versprechen geködert, niemals mit ihren Geldern zu spekulieren – und doch flossen Milliarden über Umwege in Spekulationsgeschäfte.

Allgemein sind Kryptobörsen keine Kryptogeld-Schließfächer, sie verwahren die ihnen anvertrauten Bitcoins & Co. nicht einfach. Genau wie herkömmliche Banken nutzen sie Gelder ihrer Kunden für Geldgeschäfte, etwa um die Gelder zu verleihen oder mit Vermögenswerten zu handeln. So bekommt man bei manchen Kryptobörsen sogar Zinsen auf die eingezahlten Coins und Token. Es handelt sich, genau wie bei traditionellen Banken, um Giralgeld; wer einen Bitcoin einzahlt, erhält dafür eine gleich hohe Gutschrift der Kryptobörse, die er auch nur bei dieser Kryptobörse wieder gegen Bitcoins einlösen kann. Das funktioniert genau wie beim Sparbuch, bei dem man das Geld auch nur von derselben Bank oder Sparkasse wieder ausgezahlt bekommt, wo man eingezahlt hat.

Doch während Banken streng reguliert sind und eine Eigenkapitalquote einhalten sowie in Einlagensicherungs- und Bankenrettungsfonds einzahlen müssen, dürfen die Kryptobörsen in einigen Ländern völlig frei und ganz ohne eigenes Kapital agieren. Die üblichen Spekulations- und Kreditgeschäfte der Kryptobörsen sind deshalb für die Kunden riskant: Die Kryptobörse hat schlimmstenfalls nicht mehr genügend Geld, um die Einlagen sämtlicher Kunden unmittelbar zurückzahlen zu können.

Spekulationen und Kreditgeschäfte führen nicht automatisch zu einer wirtschaftlichen Schieflage. Sofern die Kryptobörse keine Verluste einfährt oder Kredite ausfallen, ist das Unternehmen weiterhin gesund. Allerdings vermindert sich die Liquidität und es sind nicht mehr genügend Kryptogelder da, um die Guthaben sämtlicher Kunden unmittelbar zurückzuzahlen – etwa bei einem "Bank Run", einem Bankenansturm, bei dem eine Vielzahl von Kunden in kürzester Zeit ihr Geld abzieht. Die letzten beißen dann die Hunde, weil das Unternehmen erst Spekulationsobjekte wieder zu Geld machen, Kredite zurückrufen, einen Kredit aufnehmen oder von Investoren neue Gelder einwerben muss, um die für die Auszahlung nötigen Kryptowährungen am Markt zu beschaffen.

Spekuliert eine Kryptobörse mit Kundengeldern, bedeutet das mehr Unsicherheit für die Kunden und vergrößert die Gefahr eines solchen Bank Run – manchmal genügen schon Gerüchte über Kryptobörsen, damit die Anleger nervös werden und vorsichtshalber ihre Schäfchen ins Trockene bringen, solange das Unternehmen noch liquide ist.

Bei der zuletzt auf den Bahamas beheimateten Kryptobörse FTX sollten sich die Kunden keine Sorgen um ihr Kryptogeld machen müssen. FTX versprach unter Punkt 8.2.6 Absatz B seiner Nutzungsbedingungen, keinesfalls mit Kundengeldern zu spekulieren oder diese zu verleihen: "None of the Digital Assets in your Account are the property of, or shall or may be loaned to, FTX Trading". FTX wollte die Kundengelder also lediglich verwahren. Für Spekulationsgeschäfte, denen der Gründer und Vorstandschef Sam Bankman-Fried seinen Milliardärstitel verdankte, gründete er eine angeblich unabhängige Firma, Alameda Research.

Doch Alameda hatte kein besonders glückliches Händchen, im Mai 2022 soll es laut Wall Street Journal zu großen Spekulationsverlusten gekommen sein – es musste neues Geld her. Alameda bekam Geld; woher, war zunächst unklar. Mitte September berichtete das Nachrichtenportal Bloomberg über starke finanzielle Verflechtungen zwischen Alameda und FTX: Alameda sei ein Marktbereiter für das von FTX frei erfundene FTT-Token mit einer Marktkapitalisierung von gut 50 Milliarden US-Dollar.