Der Fall Schönbohm: Die Berliner Luft ist dünn für den BSI-Präsidenten

Obwohl sich die Vorwürfe einer Russland-Connection von BSI-Chef Arne Schönbohm nicht erhärten, scheint er kaum zu halten. Die Ampel hält sich aber bedeckt.

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(Bild: dpa, Oliver Berg)

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Nachdem Jan Böhmermann eine bereits bekannte Verbindung zwischen dem Präsidenten des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, und dem Verein Cyber-Sicherheitsrat Deutschland (CSRD) über eine angebliche Verbindung zu russischen Geheimdiensten in der Sendung "ZDF Magazin Royale" hochgekocht hatte, dürfte "der Fall gegessen" und der studierte Manager auf seinem Posten nicht zu halten sein. Dies erklärte Anke Domscheit-Berg, Digitalexperten der Linksfraktion im Bundestag, nach einer Sitzung des Digitalausschusses des Parlaments gegenüber heise online.

Die Causa Schönbohm war am Mittwoch in mehreren Bundestagsgremien heiß diskutiertes Thema, etwa auch im Innenausschuss. Gegenüber den Digitalpolitikern wollten sich Andreas Könen, Abteilungsleiter Cyber- und IT-Sicherheit im Bundesinnenministerium (BMI), sowie der parlamentarische Innenstaatssekretär Johann Saathoff (SPD) zwar nicht direkt zu der Personalie äußern. Laut Domscheit-Berg wirkt das Innenressort aber so, als wäre es dankbar für jeden Hinweis, der gegen Schönbohm spricht.

Schönbohm war im Februar 2016 auf Vorschlag des damaligen Bundesinnenministers Thomas de Maizière (CDU) zum BSI-Leiter ernannt worden. Schon damals kritisierte etwa der Grünen-Politiker Konstantin von Notz, dass Schönbohm als Mitgründer der Lobbyorganisation CSRD viel mit Unternehmen zu tun hatte, denen das BSI bei der IT-Security auf den Zahn fühlen soll.

Böhmermann rückte nun die Berliner Cybersicherheitsfirma Protelion als CSRD-Mitglied in den Fokus. Diese firmierte bis Ende März unter dem Namen Infotecs. Dabei handelt es sich um eine Tochter des gleichnamigen russischen Unternehmens, das nach Informationen des Rechercheverbunds Policy Network Analytics von einem ehemaligen Mitarbeiter des russischen Geheimdienstes KGB gegründet wurde. Der Bundesverband IT-Sicherheit TeleTrusT soll das Bundeswirtschaftsministerium schon im März auf diesen Bezug hingewiesen haben.

Infotecs war im Juli 2020 zum CSRD gestoßen, nahm nach Angaben des Präsidenten des Vereins, Hans-Wilhelm Dünn, aber nur an zwei Veranstaltungen teil. Der CSRD leitete nach einer Medienanfrage am 30. September ein Ausschlussverfahren gegen Protelion ein und meldete am Montag Vollzug. Eine Einflussnahme der Firma auf der Plattform oder in deren Umfeld habe nicht stattgefunden.

Eine Anfrage von Domscheit-Berg an die Bundesregierung, ob Software von Protelion bei Bundesbehörden eingesetzt wurde, läuft noch. Ein dafür benötigtes Zertifikat sei dem Unternehmen verweigert worden, weiß die Linke. Bei der Antwort auf die Frage, warum das BSI mit Rückendeckung aus dem BMI zwar vor Kaspersky-Programmen gewarnt habe, aber nicht vor Protelion, hätten sich die Ministeriumsvertreter "ein bisschen verfahren": Sie versuchten dies ihr zufolge damit zu erklären, dass das BSI nur gegen ein bestimmtes Produkt vorgehen könne, nicht aber gegen eine Firma. Genau über eine solche breite Diskreditierung beschwere sich Kaspersky aber momentan.

Domscheit-Berg hat insgesamt den Eindruck, dass bei der Exekutive nur noch die Suche nach einer künftigen Verwendung Schönbohms läuft, da er nicht einfach entlassen werden könne. Offenbar werde der Chefposten beim Statistischen Bundesamt bald frei.

Laut der Linken ist das negative Karma des einstigen Berufslobbyisten eh schon groß. So habe er im BSI für eine "toxische Kultur" gesorgt, die weibliche Führungskräfte abschrecke, und einen persönlichen Stab mit 40 Stellen aufgebaut. Dagegen seien nur vier für kleine und mittlere Unternehmen und 80 für den gesamten Bereich kritischer Infrastrukturen (Kritis) zuständig. Den Relaunch der BSI-Webseite habe Schönbohm übers Knie gebrochen. Es gebe Anschuldigungen, dass dabei Sicherheitslücken offen geblieben seien.

"Wir brauchen eine umfassende Sachverhaltsaufklärung", forderte Nadine Schön, Vizevorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Dabei müsse es vor allem darum gehen, welche Relevanz Protelion für die Cybersicherheit insbesondere in der IT-Architektur der öffentlichen Verwaltung spiele. Zugleich stärkte sie dem angeschlagenen BSI-Präsidenten den Rücken: "Wir haben Arne Schönbohm bisher immer als jemanden wahrgenommen, der verantwortungsvoll und klar vor den Bedrohungen durch russische Cyberangriffe gewarnt hat."