Digital Services Act: Wie die EU das Internet künftig regulieren wird

Seite 3: Werden die Meinungsfreiheit und andere Grundrechte tatsächlich geschützt?

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Hier gehen die Ansichten auseinander und die Vorzeichen weisen in unterschiedliche Richtungen. Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGBs) und Gemeinschaftsstandards, die Regeln für die Moderation von Inhalten aufstellen, müssen in Zukunft laut Artikel 12 auf objektive und nicht-willkürliche Art und Weise angewendet werden. Das ist ein Pluspunkt. Eine ungleiche Behandlung gleicher Inhalte bei verschiedenen Nutzern wird damit rechtswidrig. Online-Dienste müssen ferner bei der Anwendung ihrer AGBs die Grundrechte ihrer User berücksichtigen.

Über den Umgang mit rechtswidrigen und schädlichen Inhalten müssen Betreiber in maschinenlesbaren Transparenzberichten jährlich Rechenschaft ablegen. Sehr große Plattformen müssen zudem offenlegen, wie viel Personal sie für diese Moderationstätigkeiten einsetzen und wie dieses geschult und unterstützt wird. Die mitverhandelnde Abgeordnete Geese freut sich: "Das ist ein starker grüner Erfolg."

Ihr Fraktionskollege Patrick Breyer von der Piratenpartei moniert dagegen: "Die freie Meinungsäußerung im Netz wird nicht vor fehleranfälligen Zensurmaschinen (Upload-Filter), willkürlicher Plattformzensur sowie grenzüberschreitenden Löschanordnungen aus illiberalen Mitgliedsstaaten ohne Richterbeschluss geschützt, sodass völlig legale Berichte und Informationen gelöscht werden können." Die Privatsphäre im Netz werde entgegen der Position des Parlaments weder durch ein Recht auf anonyme Internetnutzung noch durch eines auf Verschlüsselung oder ein Verbot von Vorratsdatenspeicherung aufrechterhalten. Industrie- und Regierungsinteressen hätten sich gegen digitale Bürgerrechte durchgesetzt.

Jein. Untersagt wird die Profilbildung zu Zwecken gezielter Werbung auf Basis besonders sensibler Daten etwa über die politische und sexuelle Orientierung, Gewerkschaftszugehörigkeit und Religion. Dies bezieht sich auf Plattformen mit Nutzerinhalten wie Facebook, Instagram oder eBay, nicht aber für Portale mit selbst erstelltem Content wie Nachrichtenseiten. Informationen über Minderjährige dürfen für personalisierte Reklame überhaupt nicht mehr verwendet werden.

Das Prinzip des Überwachungskapitalismus, wonach Plattformen umfassende Datenprofile über Personen erstellen, soll so etwas eingeschränkt werden. Die Volksvertreter wollten weitergehende "Do not Track"-Einstellungen im Browser gesetzlich verankern, konnten sich damit aber nicht durchsetzen.

Nein, aber sie könnten etwas "nutzerfreundlicher" werden. Derzeit drängen Webdesigner User mit Tricks wie "Dark Patterns" oft auf unfaire Art zu Entscheidungen. Bei Cookie-Bannern ist die Option für das Einwilligen etwa farblich deutlich unterlegt und direkt anklickbar, während für Opt-out mehrere Klicks nötig sind. Nutzer werden auch wiederholt belästigt, nachdem sie ihre Zustimmung in Tracking verweigert haben. Damit ist über ein Verbot im DSA Schluss: Schaltflächen müssen fair gestaltet sein, sodass Anwender künftig eine echte Wahl haben.

Leider sei der Text in der finalen Verhandlungsrunde aber abgeschwächt worden, bedauert Geese. Bereits von bestehender Verbraucher- und Datenschutzgesetzgebung abgedeckte Praktiken seien so nicht mehr in diesem Verbot enthalten. Laut Kontrolleuren muss bei Cookie-Bannern schon jetzt etwa anhand der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) auch ein "Alles-ablehnen-Button" zum Standard werden.

Das Parlament setzte sich für einen Artikel zum bildbasierten sexuellen Missbrauch auf Porno-Plattformen ein. Nutzer sollten Bilder, Videos oder Texte auf Erotik-Portalen wie Pornhub und xHamster erst hochladen dürfen, wenn sie beim Betreiber eine E-Mail-Adresse und Mobilfunknummer hinterlegt haben.

"Leider bleibt der DSA an dieser Stelle blind", bedauert Geese als Initiatorin des Vorschlags eine Niederlage an diesem Punkt. "Wir haben es nicht geschafft, wirksame Mittel zum Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt im Internet zu verankern." Es gebe letztendlich auch keine eigene Klausel, die gegen Racheaktionen von Ex-Partnern mit Nacktbilder ("Revenge Porn") oder gegen heimlich gemachte Aufnahmen etwa auf Festivals schütze.