Green-Card-Vorschläge sind umstritten

Die bislang bekannt gewordenen Green-Card-Pläne finden bei der Wirtschaft Zustimmung, werden aber von Gewerkschaften sowie CDU und FDP scharf kritisiert.

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Von
  • Jürgen Kuri

Die bislang bekannt gewordenen Pläne für die Umsetzung des Green-Card-Vorstoßes von Bundeskanzler Gerhard Schröder haben die Diskussion um Arbeitserlaubnisse für ausländische EDV-Spezialisten weiter angeheizt. Nach den Vorstellungen der Bundesregierung sollen zunächst 10.000 auf drei Jahre befristete Visa ausgestellt werden, die auf 5 Jahre verlängert werden können. Nach einem Jahr will die Bundesregierung überprüfen, ob auf Grund der gemachten Erfahrungen weitere 10.000 Arbeitserlaubnisse ausgestellt werden können.

Die zeitliche Beschränkung soll offensichtlich verhindern, dass die angeworbenen Fachkräfte eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis und das Recht auf Familiennachzug erlangen. Nach diversen Zeitungsberichten geht die Bundesregierung inzwischen von 100.000 Arbeitsplätzen in der EDV-Branche aus, die nicht besetzt werden könnten. Die Industrie selbst hatte bislang von 75.000 offenen Stellen gesprochen.

Die Wirtschaft jedenfalls begrüßt die Vorschläge der rot-grünen Bundesregierung. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt erklärte, er unterstütze die Schröder-Aktion uneingeschränkt. "Der aktuelle Bedarf ist durch deutsche Arbeitslose mangels Qualifikation und mangels Qualifikationsfähigkeit nicht zu decken. Keinem Deutschen wird deshalb ein Arbeitsplatz weggenommen", meinte Hundt. Zu der Bemerkung von Jürgen Rüttgers, CDU-Vorsitzender in Nordrhein-Westfalen, man solle lieber "Kinder statt Inder" an die Computer setzen, bemerkte Hundt leicht süffisant: "Der ehemalige Zukunftsminister redet an den Erfordernissen des Fachkräftemarktes vorbei."

Auch Schröder griff Rüttgers wegen seiner Äußerungen scharf an. Auf dem Landesparteitag der nordrhein-westfälischen SPD kommentierte der Bundeskanzler, Rüttgers habe in seiner Zeit als Bundesbildungsminister im Kabinett Kohl die Ausbildung von Computer-Experten "verpennt". Nun bemäntele er seine Fehler mit "ausländerfeindlichen Sprüchen": "Das, was in unverantwortlichen Hetzparolen unter das Volk gestreut wird, schadet der deutschen Wirtschaft."

Die Position von Rüttgers, der meinte, eine Einwanderungswelle von Hindus könne Deutschland nicht verkraften, scheint aber in der CDU nicht auf allgemeine Zustimmung zu stoßen. Der neue CDU/CSU-Fraktionsschef Friedrich Merz etwa sagte, die Debatte über Fachkräftemangel dürfe nicht auf die Computer-Branche beschränkt werden. Er empfahl ein Einwanderungsgesetz.

Diese Position teilt auch die FDP, die dies schon zu Zeiten Helmut Kohls gefordert hatte und von der christdemokratischen Regierung damals abgeblockt wurde. Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Dirk Niebel, meinte, es sei zu kurzfristig gedacht, die Arbeitserlaubnis zu befristen. Deutschen Unternehmen entstünde ein Wettbewerbsnachteil, weil sie ausländischen Spezialisten keine Perspektive in Deutschland bieten könnten.

Die Gewerkschaften kritisieren dagegen die Pläne der Bundesregierung grundsätzlich. IG-Metall-Chef Klaus Zwickel sprach von einem "Spiel mit dem Feuer". Durch die Visa werde unter den Arbeitslosen die Hoffnungslosigkeit und unter den Beschäftigen die Angst vor einem Verlust des Arbeitsplatzes wachsen. Zwickel warf den Unternehmen vor, den Fachkräftemangel mit verursacht zu haben. Jetzt seien sie nur an schnellen und billigen Lösungen interessiert. Ein europäischer Spezialist verlange drei Mal so viel wie eine indische Fachkraft. Dem widersprechen allerdings Arbeitsmarktexperten – zumindest, wenn es um hochspezialisierte Fachkräfte geht: "Zur Zeit werden Top-Leute von Deutschland in die USA mit doppelt so hohen Gehältern abgeworben", erklärte Professor Matthias Jarke von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule RWTH Aachen.

Ungeachtet der politischen Diskussion um Ausländerzuzug und Arbeitsmarktpolitik halten offensichtlich viele Experten die vorgeschlagenen Maßnahmen für unzureichend: Ohne Perspektive für einen längeren Aufenthalt und mit höheren Sprachbarrieren als in Englisch-sprachigen Ländern konfrontiert, dürften viele IT-Spezialisten das Angebot einer beschränkten Aufenthaltserlaubnis in Deutschland nicht besonders attraktiv finden. Auch die Financial Times Deutschland kommentierte die bisher geplanten Maßnahmen kritisch: "Mit Billiglösungen, die weder einen Anspruch auf Einbürgerung noch den Familiennachzug regelt, lassen sich Experten aus dem Ausland kaum für Deutschland erwärmen. Die Bundesregierung weiß das – und doch eiert sie herum zwischen einer Beschränkung auf einzelne Branchen sowie verfassungs-, arbeits- und sozialrechtlichen Bedenken." (jk)