Ukraine: IAEA bekommt keine Daten mehr aus dem AKW Saporischschja

Tschernobyl ohne Strom, von dort kommen keine Daten, nun auch nicht mehr aus dem größten Atomkraftwerk Europas.

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Das AKW Saporischschja liegt in der Südost-Ukraine.

(Bild: Energoatom)

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Die Internationale Atomenergiebehörde IAEA bekommt keine Daten mehr, die Auskunft geben über den Zustand des größten europäischen Atomkraftwerks Saporischschja in der Südost-Ukraine. Das geht unter anderem aus einem Tweet der IAEA hervor. Dessen Generaldirektor Rafael Mariano Grossi zeigt sich hierüber sowie auch über die Unterbrechung der Datenübermittlung aus Tschernobyl besorgt. Schließlich würden dort neue oder abgebrannte Brennelemente gelagert.

Das AKW Saporischschja wurde vorige Woche von russischen Truppen eingenommen, durch Beschuss brannte ein Ausbildungszentrum am Rande der Reaktoren. Das seit 2000 stillgelegte Atomkraftwerk Tschernobyl ist zudem nicht mehr ans Stromnetz angeschlossen, Reparaturteams seien an ihrer Arbeit gehindert worden, schilderte Wolodmir Kudritskyi, CEO des ukrainischen Netzbetreibers Ukrenergo.

Der Stromausfall in Tschernobyl werde sich nicht kritisch auf wesentliche Sicherheitsfunktionen auswirken, schätzt die IAEA ein. Es sei ausreichend Kühlwasser im Nasslager, um die abgebrannten Brennelemente – nach Angaben des deutschen Umweltministeriums sind es 20.000 – auch ohne Strom kühlen zu können. Zudem gebe es Notstromdieselgeneratoren. In Block 4 existiert seit dem GAU von 1986 geschmolzenes Kernmaterial. Mangelnder Strom könnte dafür sorgen, dass das zum Schutz des durch eine Explosion seinerzeit offenen Reaktors errichtete Containment nicht ausreichend belüftet wird und auf Dauer Schaden annehmen kann.

Der zusätzliche Stress für die 210 Mitarbeiter in Tschernobyl, die dort seit Beginn der russischen Invasion ununterbrochen arbeiten, könne eine zusätzliche Belastung darstellen, mahnte Grossi. Die Lage in Tschernobyl verschlechtere sich Tag für Tag.

Die Strahlungswerte an den vier AKW-Standorten in der Ukraine sind der dortigen Atomaufsicht SNRIU zufolge im normalen Bereich. In Saporischschja produzierten zwei der sechs Reaktoren derzeit 980 MW Strom, in Riwne laufen zurzeit drei von vier Reaktoren, in Chmelnyzkyj eines von zwei und in Juschnoukrajinsk (AKW Südukraine). Dem letzteren würden sich russische Truppen nähern, gab der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj vorige Woche bekannt. Insgesamt liefern zurzeit 8 der 15 Reaktoren in der Ukraine Strom.

Für Deutschland seien radiologische Auswirkungen nach bisherigem Stand nicht zu befürchten, teilt das deutsche Umweltministerium mit. Hierzulande gebe es seit vielen Jahren Instrumente zur Bewertung einer radiologischen Lage, beispielsweise das Integrierte Mess- und Informationssystem IMIS, das beim BfS betrieben wird. Sollten sich Hinweise ergeben, dass sich ein radiologischer Notfall mit erheblichen Auswirkungen in der Ukraine ereignet, würde das radiologische Lagezentrum des Bundes die Lage bewerten, die Öffentlichkeit rechtzeitig informieren und Verhaltensempfehlungen geben.

"Von einer selbständigen Einnahme von Jodtabletten in Deutschland wird dringend abgeraten", heißt es aus dem Ministerium. Eine Selbstmedikation berge erhebliche gesundheitliche Risiken und habe aktuell keinerlei Nutzen. Zuletzt war in Deutschland die Nachfrage nach Jodtabletten stark angestiegen. Geeignete Tabletten sollen im Fall eines Atom-Notfalls dafür sorgen, dass sich kein radioaktives Jod aus der Luft in der Schilddrüse anreichert.

(anw)