VATM-Marktstudie: Konkurrenz wirft Telekom problematisches Verhalten vor

Die Übermacht der Deutschen Telekom im Breitbandausbau macht den restlichen Marktteilnehmern schwer zu schaffen – meinen die restlichen Marktteilnehmer.

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Kabelrollen stehen neben einem offenen Schacht

Glasfaserkabel werden für Vodafone unter einer Straße verlegt. In solchen Horizontalbohrprojekten wird Tunnel-Gel verwendet.

(Bild: heise online / anw)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Falk Steiner
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Der Glasfaserausbau wächst deutlich – aber bei der Telekom werden nur wenig Anschlüsse aktiviert, ergab eine aktuelle Marktstudie des Verbands der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM). Laut ihm mache die Übermacht der Deutschen Telekom im Breitbandausbau den restlichen Marktteilnehmern schwer zu schaffen.

Der Markt bleibt dieses Jahr laut VATM-Marktstudie (PDF) relativ stabil: 32,6 Milliarden Euro würden derzeit mit Festnetzprodukten umgesetzt, davon 5,7 Milliarden im Breitbandkabelbereich, 10,4 Milliarden durch Wettbewerber und 16,5 Milliarden Euro durch die Deutsche Telekom. Im Mobilfunk würden insgesamt 27,6 Milliarden Euro umgesetzt, 19 Milliarden durch die Wettbewerber und 8,6 Milliarden Euro von der Telekom. Die Telekom erziele 50,6 Prozent der Umsätze im Festnetzmarkt, sagt Andreas Walter, der Studienleiter der Marktstudie, die Dialog Consult durchführte.

Zuletzt wurde immer wieder berichtet, dass sich Investoren aus Glasfaserprojekten zurückzögen. Von einem Kollaps sei angesichts der vorliegenden Zahlen auf keinen Fall zu sprechen, auch wenn sich die Rahmenbedingungen sowohl auf den Finanzmärkten als auch mit den Fachkräften verschlechtert hätten, sagt David Zimmer, Präsident des VATM. Perspektivisch würde sich die Zahl der Marktteilnehmer allerdings etwas reduzieren.

Das Datenvolumen steigt wieder einmal deutlich an: 320 Gigabyte gehen pro Monat nun durchschnittlich über die Festnetzanschlüsse, und damit 44,4 Gigabyte mehr als noch im Vorjahr. Knapp 6,6 Gigabyte werden laut VATM monatlich pro Nutzer über die Mobilfunknetze übertragen. Mehr als zwei Drittel aller Festnetz-Breitbandanschlüsse (68,4 Prozent) gehen über Leitungen der Deutschen Telekom. Das betrifft zum einen die von der Telekom selbst vermarkteten Anschlüsse, aber auch die Angebote Dritter, die über Vorprodukte der Telekom angeboten werden – das liege vorwiegend weiterhin am Vectoring, bei dem Drittanbieter auf Vorleistungen der Telekom angewiesen bleiben.

Eine Entwicklung der vergangenen Jahre setzt sich auch 2023 fort: Die Telekom steigert ihren Marktanteil bei den direkten DSL-Kunden auf jetzt 14 Millionen Endnutzer. Das wären 700.000 mehr als noch vor fünf Jahren und mit jetzt 57,7 Prozent ein deutlich höherer Marktanteil als 2007, als der einstige Monopolist weniger als die Hälfte aller Anschlüsse selbst vermarktete. Im Gesamtmarkt verliert die Telekom jedoch leicht – was an der Entwicklung bei Kabelnetzen und Glasfasernetzen liegt.

Einem leichten Rückgang bei Kabelnetz-Nutzern (nun 8,5 statt 8,7 Millionen im Jahr 2022) und DSL-Anschlüssen (24,3 statt 24,7 Millionen) steht ein Zuwachs bei den Glasfaseranschlüssen um 0,8 Millionen auf jetzt 4,2 Millionen Anschlüsse insgesamt gegenüber. Dabei steigt die Zahl derjenigen an, die größere Downstreamraten buchen. 7,6 Prozent der Anschlüsse werden mit Gigabit-Geschwindigkeit genutzt, 15,4 Prozent mit 250 Mbit/s oder mehr – also insgesamt 8,5 Millionen Anschlüsse. Die Zahl der heutzutage fast schon schmalbandigen Zugänge mit weniger als 16 Mbit/s sank von 5,4 Millionen auf 4,9 Millionen. Sie liegt damit bei 13,2 Prozent aller Anschlüsse.

Ein Großteil der schnellsten Kategorie, der Gigabitanschlüsse, wird dabei laut VATM über die Kabelinfrastruktur genutzt: 26,5 Millionen angebotenen Hybrid-Glasfaser-Koaxial-Anschlüssen (HFC) stehen derzeit 16,2 Millionen FFTB/FTTH-Glasfaserangebote gegenüber. 23,5 Prozent der beiden Anschlussvarianten überlappen dabei, sprich: Nutzer könnten sowohl per Glasfaser als auch über DOCSIS 3.1 auf ein Gigabit oder schnellere Anschlüsse im Downstream versorgt werden.

Gut 35 Prozent aller Haushalte und KMUs sollen Ende 2023 grundsätzlich per Homes Passed glasfaseranbindungsfähig sein. Doch oft liegt das Kabel weiterhin nur vor der Tür und erreicht die Endkunden derzeit nicht. Die tatsächliche Take-Up-Rate, also die Nutzungsrate bei Glasfaser, liegt daher deutlich geringer: Den 3,2 Millionen gebuchten Anschlüssen bei den Wettbewerbern, die 9 Millionen Nutzern die Glasfaser zumindest vor das Haus gelegt haben, stehen 1 Million gebuchte Anschlüsse bei 7,2 Millionen realisierbaren Glasfaseranschlüssen der Telekom gegenüber.

Das allerdings ist ein doppeltes Problem: "Nur ein Kunde, der angeschlossen und einen Vertrag abschließt, generiert Umsatz", erläutert Walter. "Vor allem bei der Deutschen Telekom ist nur eine sehr geringe Vermarktungsquote zu sehen." Die Zahl der nicht angeschlossenen Haushalte sei im Verhältnis daher deutlich gewachsen. Es gebe bei der Telekom derzeit wohl keinen Druck, Kunden auf Glasfaser zu migrieren – DSL-Kunden bringen schließlich auch Umsatz. "Offensichtlich verzichtet die Telekom ganz bewusst darauf, diese 6,2 Millionen Glasfaseranschlüsse offensiv zu vermarkten", meint Weber.

Dennoch bleiben auch diese Zahlen nur ein kleiner Teil des Möglichen: 46,6 Millionen Einheiten seien grundsätzlich mit Glasfaser (FTTB/FTTH) versorgbar, davon 41,9 Millionen private Haushalte. Die Schuld daran, dass der Ausbau nicht wie möglich voranschreite, sieht VATM-Präsident David Zimmer bei zwei Akteuren: die lähmende Förderpolitik in Verbindung mit dem strategischen Überbau der Deutschen Telekom. Derzeit lägen über 1000 Anträge auf Förderung vor, damit seien alle Beteiligten überfordert. Zimmer fordert hier die Bundesregierung auf, noch stärker auf den eigenwirtschaftlichen Ausbau zu setzen: Angesichts der Haushaltslage müsse man sich die Frage stellen, ob diese Art von Förderung noch sinnvoll sei.

Die Telekom betreibe zudem eine "Marktverdrängung durch einen Infrastrukturscheinwettbewerb", bei dem die Telekom ein "Handtuch" in Ausbaugebiete von Wettbewerbern werfe, sagte Zimmer. Das zeige auch die Take-Up-Rate im Vergleich zu Homes Passed. Der VATM und seine Mitglieder werfen der Telekom vor, gezielt in geplante Ausbaugebiete anderer Anbieter hinein einen Ausbau anzukündigen und so die Wirtschaftlichkeit der Ausbauaktivität zu gefährden. Das Bundesdigitalministerium verweist in diesem Zusammenhang immer wieder darauf, dass ein Mehrfachausbau durch mehrere Anbieter gesetzlich zulässig sei – eine Monitoringstelle soll im kommenden Jahr genauere Daten zu dem tatsächlichen und angekündigten "Überbau" liefern.

(anw)