Strom erzeugen: Mit eigenem Solar-Balkonkraftwerk die Stromrechnung senken

Seite 5: Hürden vor der Installation

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Für Mieter und Mehrparteienhausbewohner beginnt der Hürdenlauf am eigenen Balkon. Sie müssen sich einen Standort suchen. Beschattungsfrei sollte er sein, im Idealfall in Südausrichtung – doch auch mit einem Ost- oder Westbalkon müssen Sie das Projekt nicht beerdigen. Auch dort kann man eine Anlage wirtschaftlich betreiben, die Spitzenergebnisse liefert sie dann aber morgens oder nachmittags. Soll das Modul auf einem geräumigen Balkon einfach stehen, brauchen Sie niemanden zu fragen. Sie dürfen ja auch Tische und Blumentöpfe aufstellen, ohne um Erlaubnis zu bitten.

Das Einverständnis von Vermieter oder Hausverwaltung brauchen Sie, wenn Sie die Module am Balkongeländer installieren wollen. Grundsätzlich gilt: Wenn es im Haus üblich ist, die Geländer ohne Genehmigung zu dekorieren (etwa mit bunten Sichtschutzen oder Sat-Schüsseln), können Sie auch ein Balkonkraftwerk aufbauen. Sind solche Dekorationen und Satellitenschüsseln genehmigungspflichtig, gilt das auch fürs PV-Modul. Tipp für Notfälle: Stellt sich der Vermieter quer, weil die Energiewende das "einheitliche Erscheinungsbild" des Mehrfamilienhauses gefährde, kann man aus einem Solarmodul und vier Beinen auch einen Tisch bauen – solange man daran nicht frühstückt, produziert er Strom.

Große Aufmerksamkeit erregte ein Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 30.3.2021 (Aktenzeichen 37 C 2283/20). Die Klägerin hatte von einem Mieter verlangt, eine auf dem Balkon aufgestellte (nicht ans Geländer gehängte) Anlage zu entfernen und unterstellte vertragswidrige Nutzung des Balkons nach §541 BGB. Das Gericht folgte der Argumentation nicht und stellte klar, das Aufstellen sei nicht vertragswidrig. In der Begründung holte die Richterin das große Besteck raus: Die Anlage diene dem Umweltschutz, der als Staatsziel in Art. 20a im Grundgesetz verankert ist.

Die nächste Hürde haben die Netzbetreiber errichtet – in vielen Städten sind das Tochterunternehmen der lokalen Stadtwerke. Denen gefällt das Konzept Balkonkraftwerk naturgemäß nicht, da selbsterzeugter Strom nicht durchs Netz geleitet wird – schön für Sie, ungünstig für Unternehmen, die ihr Geld mit Netzdurchleitung verdienen. Wer ein Balkonkraftwerk betreiben will, ist verpflichtet, es seinem Netzbetreiber zu melden. Dafür stellen die meisten ein verkürztes Formular bereit, das man schnell ausfüllen kann. So weit ist die Forderung auch verständlich: Der Netzbetreiber hat durchaus ein Interesse zu erfahren, wo in seinem Netz Strom herkommt. Er ist schließlich für die Stabilität seines Netzes verantwortlich.

Doch leider begnügen sich manche Netzbetreiber nicht mit der reinen Anmeldung. Sie verlangen auf dem Formular eine Bestätigung, dass das Gerät mit einer Wieland-Einspeisesteckdose an einer separaten Zuleitung angeschlossen wurde. Die Art der Steckdose und der Zuleitung haben keinen Einfluss auf die Netzstabilität – und damit könnte es den Netzbetreibern theoretisch egal sein. Diese verweisen aber auf ihre technischen Anschlussbedingungen und fordern, dass die Energieerzeugungsanlage normgerecht angeschlossen werden muss. Energiewende-Aktivisten sehen darin reine Verhinderungstaktik.

Noch einen Schritt weiter ging lange Zeit der Netzbetreiber Netze BW aus Baden-Württemberg. Er verlangte auf dem harmlos wirkenden Formblatt, dass die maximale Wirkleistungseinspeisung der Anlage auf 70 Prozent der installierten Leistung beschränkt wird – eine technische Maßnahme, die für Großanlagen erfunden wurde und bei 600 Watt eines Balkonkraftwerks nicht rational zu erklären war. Im Juni 2022 erschien plötzlich ein neues Formular auf der Homepage, in dem diese Forderung fehlt. Die alte Fassung haben wir für die Nachwelt gesichert.

Wer ein Balkonkraftwerk plant, sollte sich vorab informieren, welche Hürden der lokale Netzbetreiber in den Weg zu legen gedenkt. Viele Balkonkraftwerkbetreiber, die keine Einspeisesteckdose einbauen, verzichten auch auf die Anmeldung beim Netzbetreiber, um sich potenziellen Ärger zu sparen.

Nach der Anmeldung beim Netzbetreiber muss man seine Erzeugungsanlage noch im Marktstammdatenregister eintragen. Das ist schnell erledigt, die Plattform ist nicht allzu komplex: Account unter marktstammdatenregister.de anlegen und eine neue Anlage eintragen, fertig.

Während eine versäumte Anmeldung beim Netzbetreiber folgenlos bleibt, ist mit der nächsten Hürde nicht zu spaßen: Der Stromzähler muss mit einer sogenannten Rücklaufsperre ausgestattet sein. Die alten schwarzen Zähler mit der drehenden Scheibe (sogenannte Ferraris-Zähler) haben eine solche Sperre meist nicht. Das hat zur Folge, dass der Zähler rückwärts dreht, wenn der Verbrauch kleiner als die Produktion ist. Auf die Weise würde man das gesamte Netz als gigantischen Speicher missbrauchen. Tagsüber wird zurückgespult, nachts dreht er sich langsam vorwärts. Das klingt verlockend, kann in Deutschland aber diverse Straftatbestände erfüllen – bis hin zur Steuerhinterziehung, weil man die Steuern auf den bezogenen Strom vermeidet.

Die sogenannten "modernen Messeinrichtungen", also die digitalen Zähler, die aktuell installiert werden und bis 2032 flächendeckend hängen sollen, haben immer eine Rücklaufsperre.

Wer einen alten Zähler hat, sein Balkonkraftwerk beim Netzbetreiber meldet und vom Grundversorger auch seinen Stromzähler bekommt (das ist die Standardkonfiguration), wird schnell nach der Anmeldung die Nachricht bekommen, dass demnächst ein Techniker zum Einbau des modernen Zählers vorbeikommt. Aufpassen muss man mit Stadtwerken, die für die wenigen Kilowattstunden im Jahr einen deutlich teureren Zweirichtungszähler verlangen – bis zur Änderung des Formulars im Juni 2022 gehörte Netze BW dazu.

Ein Tipp, um ohne Kontakt zum eigenen Netzbetreiber an einen rücklaufgesperrten digitalen Zähler zu kommen: Man sucht sich einen alternativen Messstellenbetreiber – Angebote für vernetzte Zähler inklusive Online-Auswertung haben wir bereits vorgestellt.

Abseits der elektrischen und bürokratischen Probleme müssen Sie noch ein mechanisches lösen: die Anbringung. Beim Aufhängen am Balkongitter ist Vorsicht angebracht. Ein abstürzendes Modul kann lebensgefährlich sein, Windlast ist ein reales Problem und einige der dünnen Balkongitterhaken in den Solarshops wirken alles andere als vertrauenserweckend; mehr wie umfunktionierte Blumentopfhalter.

Weil es so viele verschiedene Balkone gibt, gibt es auch keine pauschal optimale Installation, nur ein paar Tipps: Kunststoffkabelbinder zur Aufhängung sind tabu, das Modul muss an möglichst vielen Punkten (oben und unten) gesichert sein, damit auch Wind keine Chance hat. Stabile Halterungen, die für Lasten über Personen konstruiert und höchsten Anforderungen an Sicherheit gerecht werden, findet man bei Händlern für Veranstaltungstechnik. Sogenannte Halfcoupler mit Nennlasten von 200 oder 500 Kilogramm können Module fest an vielen Rohren von Balkongittern halten. Und auch ein weiteres Prinzip aus diesem Fachbereich kann man übernehmen: Eine zweite, unabhängige Sicherung des Moduls in Form eines kurzen Sicherheitsseils (Suchbegriff "safety drahtseil") schützt vor Absturz, wenn die Halterung versagt.