Missing Link: Grassroot-KI – Afrikas Aufholjagd bei Künstlicher Intelligenz
Afrika will Künstliche Intelligenz in Eigenregie mitgestalten. Die westlichen KIs passen nicht zur Bevölkerung – sie basieren auf fremden Werten und Normen.
ChatGPT heizt das Ringen um die Hoheit im Bereich Künstliche Intelligenz gerade mächtig an. Während viel spekuliert wird, wie OpenAI-Microsoft, Alphabet und Facebook nun die Welt unter sich aufteilen werden, drängen viele Forscher in Afrika auf eine eigene Entwicklung. Afrika dürfe nicht zum "Abladeplatz" einer vom Globalen Norden und dessen Werten dominierten Technologie werden. In der lokalen Aufholjagd setzen sie auch auf "Graswurzel-KI".
Nationale KI-Programme haben Konjunktur auf dem afrikanischen Kontinent. Ägypten, Mauritius und Ruanda waren die ersten auf dem Kontinent, die nationale KI-Strategien verabschiedet haben. Auch Südafrika, Tunesien, Uganda, Kenia und Nigeria habe jeweils eigene Instrumente zur Förderung von Machine Learning und Data Policies vorgelegt. Kommissionen oder Taskforces sind fast überall am Werk. In Nigeria und in Tunesien laufen aktuell Konsultationen zu KI-Gesamtstrategien.
Noch mehr KI-Strategien
Doch das sind längst noch nicht alle Länder, die sich das Thema auf die Fahnen geschrieben habe, erläutert Tshilidzi Marwala, Vizekanzler der Universität Johannesburg, gegenüber heise online. Da sind noch Sambia und Botswana, die mit zu den Vorreitern gehören, so Marwala; und Benin hat am 19. Januar ein Programm für 7 Millionen Euro für fünf Jahre aufgelegt.
Nicht einmal das KI-Politik-Barometer der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) kommt noch damit hinterher, die immer neuen KI-Strategien zu dokumentieren. Marwala, der ab März die Leitung der United Nations University übernimmt, kennt die Szene seit vielen Jahren. Er ist nicht nur Vorsitzender der südafrikanischen Arbeitsgruppe "Vierte Industrielle Revolution", sondern gehörte auch zu einer entsprechenden Taskforce in Namibia. Diese habe im vergangenen Jahr ebenfalls ihre Vorarbeiten abgeschlossen und Interessierte zu einer Konferenz über die nächsten Schritte geladen.
Afrikanische Datenpolitik, afrikanische Datenmärkte
Neben dem Rennen um nationale Initiativen, Prinzipien und Programme gibt es Anstrengungen, KI-Politik auch regional zu entwickeln. Im vergangenen September verabschiedete das UNESCO Southern Africa sub-Regional Forum on Artificial Intelligence (SARFAI) eine Liste von Empfehlungen für den Umgang mit KI auf dem Kontinent. Zu SARFAI gehören Botswana, Malawi, Mosambik, Namibia, Südafrika, Sambia und Simbabwe. In puncto KI enthalten die Empfehlungen neben Datenschutz und Data-Localisation-Überlegungen auch Vorschläge, wie pan-afrikanische Datensätze schneller aufgebaut werden könnten.
Datennutzung und -Souveränität stehen auch auf der Tagesordnung der schon etwas älteren Smart Africa Allianz, die sich bislang vor allem um einen afrikanischen Backbone und grenzüberschreitende Netze gekümmert hat. Die 30-Mitglieder starke Allianz wird auch von der Bundesregierung unterstützt und soll unter dem Motto data4africa und FAIR Forward lokale Datenmärkte fördern.
Vom 1.-5. Mai 2023 findet in Kigali, Ruanda die elfte Ausgabe der ICLR-Konferenz statt (Eleventh International Conference on Learning Representations). Am 5. Mai richten die KI-Forscherin Timnit Gebru und internationale Partner im Rahmen der ICLR einen Workshop aus zu praktischen Machine-Learning- und KI-Anwendungen für Entwicklungsländer. Im Fokus steht dabei das Arbeiten unter Bedingungen mit geringen und begrenzten Ressourcen.
Call for Proposals: Practical ML for Developing Countries
Noch bis zum 10. Februar nehmen die Veranstalter Vorschläge entgegen (hier geht es zu der Bewerbungsseite). Beiträge zu Algorithmen und Methoden, Industrieerfahrungen und praktische Anwendungen sowie Gesellschaftsthemen sind willkommen. Die Organisatoren freuen sich über Einreichungen aus dem Themenspektrum "Practical Machine Learning for Developing Countries" (PML4DC). Mehr dazu lässt sich der Workshop-Website entnehmen.
KI-Strategie für den ganzen Kontinent
An einem großen Aufschlag arbeitet zudem die Afrikanische Union (AU), in der alle Länder Afrikas vertreten sind. Zum Ende des ersten Vierteljahres 2023 werde die AU ihre "AI Continental Strategy" vorlegen, sagt Marwala. Auf fünf zentrale Säulen habe man sich bereits geeinigt. Dazu gehören eine Ausbildungsrevolution, eine Politik, die Innovation und Ethik vereinbart, eine Open Data Policy für Afrika, ein Investitionsschub für lokale KI-Zentren und, nicht zu vergessen, die Schaffung der notwendigen Infrastrukturen als Grundlage. Denn nicht überall sind Netze und Computing Power überhaupt vorhanden.
Inwieweit eine solche Kontinentalstrategie für KI ab Mitte des Jahres die Länder mitziehen kann, die bislang keine eigenen nationalen Strategien haben, ist noch unklar. Deutlich wird aus all den politischen Vereinbarungen und Papieren das Gefühl der Dringlichkeit, das zumindest in einigen Hauptstädten und Universitäten des Kontinents besteht.