Missing Link: Angriffe auf Backbones – Wie gut sind Glasfaserkabel geschützt?

Seite 2: Bagger, Brände, Bauernzäune

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Dass informationelle Hauptschlagader einfach zugänglich sind, ist nichts Ungewöhnliches, bestätigt Marc Helmus, Gründungsmitglied der DENOG, in dem sich Deutscher Network Operator zusammengeschlossen haben. Helmus ist Glasfaserexperte und weiß, wie oft Leitungen "stumpfer Gewalt" – also etwa Baggern – zum Opfer fallen. Zwar sind die Glasfaserkabel gegen Einwirkungen geschützt; einer Baggerschaufel, einem Feuer oder einem Tonnen-schweren Anker, der an ihnen zerrt, halten sie aber kaum stand.

Wird bei Tiefbauarbeiten ein Kabel beschädigt, können Techniker rasch Abhilfe schaffen. Der Ort des Geschehens ist bekannt. Solche Ausfälle gibt es mit großer Regelmäßigkeit, wie ein Blick auf die vergangenen Monate zeigt.

Vom Brand im Kabelschacht zwischen Friesack und Paulinenaue in Brandenburg, der 11.000 Menschen über ein durch eingerammte Stahlträger durchtrenntes Glasfaserkabel im Landkreis Harburg ohne Mobilfunk ließ, bis zur vom Bagger durchtrennten Leitung im Unterwesterwald – die Liste für 2022 ist schon im ersten Vierteljahr lang. Auch ein Seekabel der Deutschen Telekom (DTAG) vor Hiddensee wurde im Februar beschädigt, und zwar während Bauarbeiten für ein neues Seekabel. Laut der Baufirma hatte sie von der Telekom falsche Pläne über die Lage des alten Seekabels erhalten.

Glasfaserkabelunterbrechungen an dritter Stelle der Telekom-Sicherheitsvorfälle lt. ENISAs Bericht 2020.

Die meisten Ereignisse sind lokal beschränkt. Sie betreffen einige hundert, einige tausend oder vielleicht auch einmal Zehntausende Kunden und sind überwiegend nach wenigen Stunden oder Tagen behoben. Das ist Tagesgeschäft für Netzbetreiber.

"Kabelrisse passieren, sowohl Seekabel also auch an Land verlegte Kabel sind betroffen", schreibt Martin Spät vom Büro des Direktors der European Network and Information Security Agency (ENISA). 6 Prozent der großen Ausfälle im Telekommunikationsbereich entfallen laut der ENISA-Statistik im vergangenen Jahr auf durchtrennte Kabel. Die konsolidierte Zahl der Glasfaserunterbrechungen für 2020 liegt bei 14 Prozent, dabei sind Glasfaserausfälle verschiedenster Provenienz – also auch als Teil von Systemausfällen oder menschlichem Versagen – zusammengefasst.

Ein klares Bild über die Situation zeichnen die Daten der Behörden nicht. Die Gesamtzahl der von den Mitgliedsstaaten an die ENISA gemeldeten Sicherheitsvorfälle in Telekommunikationsnetzen erscheint mit 170 Meldungen 2021 vergleichsweise gering. Die Bundesnetzagentur (BNETZA) meldete 2021 für Deutschland insgesamt 56 Sicherheitsvorfälle. Acht Prozent davon hätten bundesweite Auswirkungen entfaltet. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) nennt die Zahl von 57 Sicherheitsvorfällen für 2021. Nicht alle der fast 60 Vorfälle werden wohl an die ENISA weitergemeldet. Sonst würden die deutschen Vorfälle allein ein Drittel der ENISA-Meldungen ausmachen.

Natürlich seien manche Vorfälle Ergebnis bösartiger Attacken, schreibt Spät in einer Antwort an heise online. So suchten Diebe nach Kupferressourcen; und auch Vandalismus sei ein Grund für die Zerstörung von vergrabenen Kabeln.

"Auf der Haben-Seite schlägt zu Buche, dass die meisten Glasfaserstrecken und Unterseekabel redundant sind", versichert Spät, fügt aber auch hinzu: "Es ist klar, dass insbesondere die Seekabel strategische Assets der EU sind und die Sorge über die Sicherheit dieser Kabel wird in Europa immer größer." Schutz vor Unterbrechungen, aber eben auch vor dem Abhören der übertragenen Kommunikation stünden im Mittelpunkt der Sorge."ENISA beschäftigt sich dieses Jahr insbesondere mit der Sicherheit von Seekabeln", erläuterte Spät.