Wie die Kreislaufwirtschaft mehr Nachhaltigkeit bringen kann

Seite 8: Psychologische Faktoren

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Ließen sich damit Ökonomie und Ökologie versöhnen? Schön wär’s. Selbst wenn die Kreislaufwirtschaft alle Register zieht: Völlig ohne Ressourcenverbrauch wird es nicht gehen. Kunststoffe lassen sich im Prinzip, allerdings nur grob geschätzt, zu etwa zwei Dritteln in den Kreislauf zurückholen, nimmt der Verband der Chemischen Industrie an. "Eine hundertprozentige Wiedergewinnung der in den Abfällen enthaltenen Wertstoffe ist weder technisch möglich noch wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll", bestätigt auch der Statusbericht Kreislaufwirtschaft.

Und dann ist da noch der "Rebound"-Effekt. Er besagt, dass Menschen oft dazu neigen, das an einem Ende Eingesparte am anderen Ende wieder zusätzlich auszugeben. Etwa indem sie das durch Second-Hand-Kleidung gesparte Geld in eine Flugreise investieren.

Die gleiche Logik gilt auch für Unternehmen und Volkswirtschaften: Sagenhafte 1,8 Billionen Euro an wirtschaftlichen Vorteilen, schätzt die Ellen MacArthur Foundation, könne eine Circular Economy allein in Europa bis 2030 bringen. Das klingt gut, aber was geschieht mit dem Geld? Wird es investiert, um das Wachstum anzukurbeln, könnte es den Ressourcenverbrauch unter dem Strich erhöhen statt senken.

Die Höhe der Balken stellt die Kosten der CO2-Vermeidung dar. Negative Werte bedeuten: Mit den Maßnahmen lässt sich Geld sparen. Bei Autos zählt Car-Sharing zu den günstigsten Maßnahmen, Leichtbau zu den teuersten. Die Balkenbreite zeigt die Menge an potenziell vermeidbaren Emissionen. Kunststoff-Recycling hat ein hohes Potenzial, die Wiederaufbereitung von Autos ein relativ kleines.

(Bild: Material Economics, The Circular Economy – A Powerful Force for Climate Mitigation (2018); Ellen MacArthur Foundation)

"Kreislaufwirtschaft ist gerade das große Heilsversprechen", warnt Henning Wilts, Direktor der Abteilung Circular Economy am Wuppertal Institut. "Sie soll die Wirtschaft retten und das Klima auch. Aber sie kann auch als Booster für zusätzlichen Ressourcenverbrauch wirken."

Schließlich spielen auch psychologische Faktoren eine Rolle: Wer ein gutes Gewissen hat, weil er stets seinen Müll trennt, achtet möglicherweise weniger stark auf dessen Vermeidung. "Wir waren hier lange der Meinung, wir seien Recycling-Weltmeister", sagt Wilts. "Damit ist das Thema Müll auf unserer gefühlten Rangliste der Umweltprobleme ganz nach unten gerückt. Das korreliert stark mit dem Anstieg der Kunststoffabfälle. Die Leute haben sich an einen abfallintensiveren Lebensstil gewöhnt."

Wie hoch genau der Rebound-Effekt tatsächlich ist, lässt sich schwer abschätzen. Laut einer Meta-Studie des Wuppertal Instituts von 2012 liegt er bei 20 bis 50 Prozent. Das bedeutet: Bis zur Hälfte der Einsparungen in einem Bereich können durch verstärkten Konsum in anderen Bereichen wieder kompensiert werden.

Die Konsequenz daraus: "Wir brauchen die Kreislaufwirtschaft, aber sie darf nicht einfach als Argument für ungehemmten Ressourcenverbrauch dienen", sagt Wilts. "Am Ende muss eine absolute Senkung des Verbrauchs stehen."

(lca)