Edit Policy: Artikel 17 im EU-Urheberrecht - Umsetzung nicht ohne Uploadfilter

Seite 2: Overblocking wird nur teilweise verhindert

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Auch wenn es zu begrüßen ist, dass Artikel 17 für weniger Plattformen gelten soll als zunächst befürchtet, ändert das nichts daran, dass Uploadfilter ein ungeeignetes und gefährliches Mittel zur Durchsetzung von Urheberrechtsansprüchen darstellen. Monatelang hatten IT-Fachleute versucht, weitgehend beratungsresistenten CDU-Abgeordneten wie etwa Axel Voss zu erklären, dass auch die modernsten Uploadfilter nicht in der Lage sind, legale Zitate oder Parodien von Urheberrechtsverletzungen zu unterscheiden, weil dazu der Kontext analysiert werden muss, in dem ein Inhalt verwendet wird.

Außerdem müssen sich Plattformen beim Einsatz von Filtersystemen darauf verlassen können, dass die Informationen, die ihnen von vermeintlichen Rechteinhabern geliefert werden, auch der Wahrheit entsprechen. Erst kürzlich hatte YouTube etwa eine Rede von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron auf dessen offiziellem YouTube-Kanal gesperrt – schuld war ein falscher Urheberrechtsanspruch durch den französischen Fernsehsender Canal Plus.

Auch hier zeigt sich das Justizministerium aufgeschlossener für die Argumente der Netzgemeinde, als diese das von den Debatten des letzten Jahres vielleicht gewohnt ist. Zwar setzt auch das nun vorgeschlagene Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz klar auf Uploadfilter und ist so weiterhin grundrechtlich fragwürdig. Zumindest wird aber erstmals ein konkreter Vorschlag gemacht, wie legale Nutzungen vor einer ungerechtfertigten Sperrung geschützt werden sollen.

Nutzer*innen sollen beim Upload in Zukunft angeben können, wenn sie fremde Inhalte hochladen und das für legal halten. Auf diese Weise sollen sowohl legale Nutzungen unter den sogenannten Urheberrechtsschranken, wie etwa das Zitatrecht, vor der unrechtmäßigen Sperrung geschützt werden, sondern auch fremde Inhalte, die gar nicht urheberrechtlich geschützt sind oder die unter einer Creative Commons-Lizenz veröffentlich wurden. Grundsätzlich dürfen solche beim Upload geflaggten Inhalte nicht automatisch gesperrt werden.

Wenn der Uploadfilter auf diese Inhalte anschlägt, sendet er lediglich eine Nachricht an den vermeintlichen Rechteinhaber, der sich dann an einen Beschwerdemechanismus wenden kann, wenn er die Nutzung dennoch für illegal hält und sperren lassen will. Markiert jemand Inhalte mehrfach fälschlicherweise als legal, kann diese Person von der Nutzung des Pre-Flagging-Mechanismus ausgeschlossen werden, um Missbrauch zu vermeiden.

In vielen Fällen könnte dieser Mechanismus die Sperrung legaler Inhalte verhindern. Doch auch dieses System hat Schwächen: Damit Nutzer*innen beim Upload in Zukunft von dem Pre-Flagging Gebrauch machen können, müssen Plattformen dieses zunächst nachrüsten. Die Haftung für Urheberrechtsverletzungen droht den Plattformen aber auch für bereits auf der Plattform veröffentlichte Inhalte. Legale Nutzungen, die bereits vor Inkrafttreten des Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetzes veröffentlicht wurden, drohen dann dem Uploadfilter zum Opfer zu fallen, weil sie beim Upload noch nicht als legal geflaggt werden konnten.

Auch bei Livestreams ist das Pre-Flagging alles andere als trivial. Wer etwa live von einer Demonstration streamt, müsste schon vor Beginn des Streams darüber nachdenken, ob geschützte Inhalte auftauchen könnten, etwa ob ein Demowagen im Hintergrund Musik abspielen wird. Schließlich erfordert das Pre-Flagging ein sehr hohes Wissen über das Urheberrecht, um im Einzelnen einschätzen zu können, welche Nutzungen noch von den Urheberrechtsausnahmen gedeckt sind.

Die größte Gefahr für legale Inhalte besteht aber darin, dass das Pre-Flagging am Ende doch nicht vorbehaltlos gegen die automatische Sperrung schützt. "Offensichtlich unzutreffende Kennzeichnungen" von Inhalten soll die Plattform nämlich ignorieren. Das mag zunächst nachvollziehbar sein, weil die Verfechter*innen von Artikel 17 verhindern wollen, dass ganze Spielfilme hochgeladen und als legal geflaggt werden. Aber wer soll entscheiden, ob eine Kennzeichnung als "offensichtlich unzutreffend" einzuschätzen ist? Am Ende tut das doch wieder ein Uploadfilter.

Beispielsweise sollen Kennzeichnungen pauschal als offensichtlich unzutreffend gelten, wenn sich jemand auf eine gesetzlich erlaubte Nutzung beruft, der hochgeladene Inhalt aber mit 90 Prozent eines in der Sperrdatenbank hinterlegten Inhalt übereinstimmt. Diese Regelung ist offensichtlich dazu gedacht, automatisiert zu werden, geht aber an der Realität vorbei. Auch bei 100 Prozent Übereinstimmung kann es sich um eine legale Nutzung handeln, etwa bei einem gemeinfreien Inhalt, der fälschlicherweise gemeldet wurde und gar nicht urheberrechtlich geschützt ist.