Konsumgut: Kompakt-Van Mercedes B 250e mit Plug-in-Hybrid im Test

Seite 2: Phänomen Vorheizung

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Die Vorkonditionierung hatte noch eine weitere scheinbare Skurrilität auf Lager. Der Testwagen wurde abends abgestellt, angeschlossen und mit einer Abfahrtszeit inklusive Vorwärmwunsch versehen. Nun hätte nicht nur ich erwartet, dass zu dieser Zeit die Batterie voll und das Auto aufgewärmt ist. Doch das ist nicht der Fall: Die Vorwärmung bediente sich aus dem Speicher, zur geplanten Abfahrtszeit fehlten rund 10 Prozent. Erst etwa eine halbe Stunde später war die Batterie dann wieder voll. Die Erklärung von Mercedes ist auf den ersten Blick einfach: Der Leistungsbedarf der Vorheizung ist, gerade bei den kalten Ausgangstemperaturen Anfang Februar, höher als die an 230 Volt/10 A mögliche Ladeleistung. Also holt sich das System zusätzlich Strom aus der Batterie. An einer Wallbox mit 7,4 kW oder einer Schnellladung mit 22 kW tritt das Phänomen so nicht auf, wie uns Mercedes versicherte.

Mercedes B 250e (29 Bilder)

Die dritte Mercedes B-Klasse ist seit 2019 auf dem Markt. Die Versuche, die Vorgänger abseits fossilen Treibstoffs zu motorisieren, waren nicht erfolgreich. Nun stehen die Chancen besser, denn ...
(Bild: Florian Pillau)

Warum der Mercedes aber während der Vorheizung manchmal gar keinen Strom über das Ladegerät zieht, ist unverständlich und so sicher auch nicht beabsichtigt. Dazu sei gesagt: Der Testwagen wurde im August 2019 zugelassen und war in den Zulassungspapieren auch klar als „Erprobungsfahrzeug“ gekennzeichnet. Bis zum geplanten Serienanlauf könnte Mercedes solche Probleme noch aussortieren. Schlussendlich liegt die Lösung natürlich auf der Hand: Der Fahrer muss die Abfahrtszeit im System eine halbe Stunde vor den geplanten Fahrtbeginn programmieren. Dann ist das Auto warm und die Batterie voll.

Bleibt noch der Versuch, dem Auto die Verteilung von zuvor geladenem Strom und Sprit zu überlassen, was natürlich nur so lange klappt, wie noch geladener Strom in der Batterie ist. Nach ein paar Tagen kamen wir auf Werte zwischen 2,8 und 3,9 Liter Benzin sowie 12 bis 18 kWh Strom. Auch hier senkte die Vorwärmung die Verbrauchswerte unterwegs etwas. Um das einmal ins Verhältnis zu setzen: Der B 250e liegt damit im Verbrauch insgesamt deutlich über einem Toyota Corolla (Test), der mit 180 PS etwas weniger Leistung bereitstellt. Der Mercedes wird staatlich gefördert, der Toyota nicht.

Ein recht hartnäckiges Vorurteil verfolgt den Plug-in-Hybrid: Ist der Speicher leer, fährt er mit Benzin wie ein Auto ohne zusätzlichen E-Motor. Das ist nicht richtig, denn die Batterie wird nie komplett geleert. Der B 250e ist auch ohne vorherige Ladung noch erstaunlich oft rein elektrisch unterwegs, wenngleich die Anzeige für den elektrischen Streckenanteil im Kombiinstrument hier arg optimistisch ist. Denn diese erklärt einfach alles zur elektrischen Fahrt, bei der der Verbrenner nichts verbraucht – also auch Streckenanteile, in denen der Mercedes ausrollt und der Benziner keinen Sprit bekommt. Trotzdem: Durch manches Dorf auf meiner Pendelstrecke bin ich in diesem Test immer elektrisch gerollt, unabhängig davon, ob die Batterie zuvor an der Steckdose aufgeladen wurde. Mit etwas Geschick auf der Bremse lässt sich dieser Anteil noch ausbauen.

Abgesehen von all diesen Verbrauchsbetrachtungen fährt sich der B 250e sehr entspannt. Das Doppelkupplungsgetriebe verschleift seine acht Gänge zwar nicht ganz so fein wie eine Wandlerautomatik. Dennoch bleibt bei gelassener Fahrweise der Antriebsstrang angenehm im Hintergrund. An diesen Geräuschkomfort gewöhnt man sich sehr schnell, der Umstieg nach ein paar Tagen in ein Auto mit Verbrennungsmotor fühlte sich irgendwie ungut an. Menschen, die gern gleiten statt rasen – unter den B-Klasse-Fahrern ist dieser Anteil möglicherweise überdurchschnittlich – bekommen hier einen sehr angenehmen Antrieb. Mir ist bewusst, dass nur eine Minderheit so handeln würde. Ich mochte die elektrische Fahrt aber so gern, dass ich die B-Klasse wann immer möglich laden würde.

Das Bild des angenehm zurückhaltenden Antriebs wandelt sich etwas, wenn man auf die komplette Leistung zurückgreifen will. Der B 250e ist bei Bedarf verdammt fix und wird von anderen Autofahrern in dieser Hinsicht mitunter auch unterschätzt. Ob nun Überholmanöver auf der Landstraße oder das Auffädeln auf eine Autobahn: Diese B-Klasse kann ziemlich beherzt an Tempo zulegen. Dass ein B 250 ohne E-Motor, der etwas mehr Leistung hat, nochmals minimal schneller ist, spielt auf diesem Niveau keine Rolle. Leider ist das dann kein Ohrenschmaus mehr. Bei vollem Leistungsabruf schreit der Antriebsstrang – nicht laut, aber vernehmlich – um Gnade und vermittelt akustisch einen unwilligen Eindruck, der zu den möglichen Fahrleistungen nicht so recht passt. Einen Teil des Gehörseindrucks mag dazu die vorherige Ruhe beitragen.

Der Testwagen war mit dem AMG-Paket ausgestattet. Böse Zungen mögen nun behaupten, das braucht eine B-Klasse so dringend wie ein Transporter Nappaleder auf dem Armaturenbrett. Doch die dritte Auflage basiert auf derselben Plattform wie die A-Klasse, bringt also eine Fahrwerkskonstruktion mit, die mehr als ein Durch-die-Gegend-Schaukeln ermöglicht. Das Auto lenkt präzise ein und lässt sich erstaunlich flott um Kurven treiben, wenn es denn unbedingt sein muss. Die gegenüber der A-Klasse erhöhte Sitzposition ist wohl mit dafür verantwortlich, dass die B-Klasse, auch mit dem AMG-Paket, nun nicht gerade ein Chef-Dynamiker geworden ist, was sie ja per Zielgruppendefinition auch nicht sein soll. Doch sie als Rentner-Modell abzustempeln, wird der aktuellen Auflage nicht gerecht.