Ein Jahr Gigabitstrategie: Fortschritt mit Hindernissen​

Seite 2: Mangel, Ineffizienz und Überbau

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Glasfaseranschluss der Telekom.

(Bild: heise online)

Dass der zunehmende Ausbau eine Leistung der aktuellen Bundesregierung wäre, bezweifelt Nadine Schön, stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Die Grundlagen für den jetzigen Ausbau seien bereits von der Vorgängerregierung gelegt worden und der Ausbau würde nun massiv von den Bundesländern vorangetrieben. Sie glaube, dass "das Ziel, bis Ende 2025 in mindestens der Hälfte der Haushalte Highspeed-Festnetz verfügbar zu haben, also Glasfaser bis in die Wohnung und nicht nur bis zum grauen Verteilerkasten in der Straße, erreichbar ist".

Also alles in bester Ordnung? Keineswegs, sagt Anke Domscheit-Berg, Bundestagsabgeordnete der Linkspartei: "Wir haben einen Mangel an Tiefbaukapazitäten und Fachkräften, die trotzdem nicht effizient eingesetzt werden. Denn an vielen Orten in Deutschland findet ein unsinniger Überbau statt, durch den Straßen in Städten erneut aufgerissen werden, um eine zweite Glasfaser zu verlegen, während im Nachbardorf weiterhin noch gar keine liegt."

Überbau ist derzeit einer der großen Streitpunkte. Das Hauptproblem entsteht, wenn einzelne Anbieter in den Ausbauplan anderer Anbieter hinein verlegen. Denn die berechnen ihre Pläne in Mischkalkulation: Welche Gebiete sind zu welchem Preis rentabel auszubauen? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass aus potenziellen Kunden auch Kunden werden? Schließt dann ein anderer Anbieter kleinteilig die Filetstücke eines Ausbaugebiets an, geht die Rechnung nicht mehr auf.

Die Stadt Taunusstein in Hessen wollte alle sieben Stadtteile ausbauen lassen. Sie fand einen Anbieter, der dazu bereit war, ohne Förderung und auf eigene Kosten. Doch dann kam, so schildert es Bürgermeister Sandro Zehner in einem YouTube-Video Anfang Juni, die Deutsche Telekom und begann in den beiden dichtbesiedeltsten Stadtteilen mit der Vorvermarktung eines eigenen Ausbauangebotes. Unabgesprochen, ohne Vorwarnung, sagt Zehner. Daraufhin habe das für den Gesamtausbau vorgesehene Unternehmen sein Angebot zurückgezogen. Ähnliche Vorkommnisse berichten auch andere Bürgermeister und Unternehmen.

Dieses Verhalten führe zu "erheblicher Verunsicherung – nicht nur bei Marktteilnehmern, sondern auch bei Kommunen und Bürgerinnen und Bürgern in den betroffenen Gebieten", kritisiert Sven Knapp vom Bundesverband Breitbandkommunikation. Er berichtet, dass es dadurch bereits mehrfach zur Aufkündigung der Ausbauzusagen für größere Gebiete gekommen sei. "Die Folge: Große Teile der Kommunen werden nicht von der Telekom versorgt und sind dann nur noch mithilfe staatlicher Förderung erschließbar, was den Ausbau weiter verzögert."

Doch die Rechtslage ist hier eindeutig, sagt ein Sprecher der Bundesnetzagentur: "Eigenwirtschaftlich ausbauende Telekommunikationsunternehmen sind durch das Telekommunikationsgesetz nicht gehindert, eigene Telekommunikationsnetze zu bauen, auch wenn bereits Telekommunikationsinfrastrukturen vorhanden oder im Bau sind." Im Telekommunikationssektor sei vom Gesetzgeber Infrastrukturwettbewerb ausdrücklich vorgesehen, um Auswahl, Qualität und Preise von Telekommunikationsdienstleistungen zu verbessern. "Eine konzessionierte Vergabe von exklusiven Ausbaugebieten ist rechtlich nicht zulässig."

Während man bei der Regulierungsbehörde hofft, dass der parallele Ausbau die Ausnahme bleibe, erkennen Branchenvertreter ein Muster. Der Telekom wird strategischer Überbau vorgeworfen: Sie kreuze überall da auf, wo sich Wettbewerber anschicken, ein Ausbaugebiet zu erschließen. "Die aktuelle Ausbautaktik der Telekom bringt die Erreichung der in der Gigabitstrategie definierten Ausbauziele also in akute Gefahr", mahnt Sven Knapp vom Breko-Hauptstadtbüro.