Ein Jahr Gigabitstrategie: Fortschritt mit Hindernissen​

Seite 3: Was ist Überbau?

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Baustelle in Hannover.

(Bild: Ernst Ahlers)

Die Telekom sieht das anders. "Liegt bereits Überbau vor, wenn zwei Unternehmen – unabhängig voneinander – den Ausbau eines bestimmten Gebietes planen?", fragt der Telekom-Sprecher. "Oder spricht man nur dort von Überbau, wo parallele Glasfaserinfrastrukturen tatsächlich entstehen?" Die Telekom will nicht mit dem Finger nur auf sich zeigen lassen: "So sehen wir zum Beispiel in unserer Heimatstadt Bonn oder in Essen Ausbauankündigungen von Wettbewerbern, obwohl die Telekom in den betreffenden Städten bereits vor mehreren Monaten ihre Pläne für Glasfaser offengelegt hat."

Das BMDV sieht zwar Diskussionsbedarf rund um die Überbauproblematik, ist aber bestrebt, "die Diskussion zu versachlichen und die jeweiligen Vorträge von Unternehmen mit der gebotenen Sorgfalt zu prüfen", sagt ein Sprecher. Dafür sei eine Studie in Auftrag gegeben worden. Außerdem richtet die Bundesnetzagentur eine Monitoringstelle ein, "um einen fortlaufenden Überblick über die Überbausituation zu erhalten". Auch will das Ministerium das Gespräch mit den Unternehmen suchen. Für Nadine Schön ist das Teil eines größeren Bildes: Minister Wissing agiere zu zögerlich, bemängelt die CDU-Politikerin, und fordert schnelleres und beherzteres Agieren.

Ein Problem, das den Breitbandausbau bislang hemmte, war der Streit um die mindertiefe Verlegung. Kurz unter dem Bürgersteig oder der Straßendecke sollen schnell und mit geringem Aufwand Glasfasertrassen per Erdrakete, Horizontalspülbohrung oder Microtrenching verlegt werden. Doch bislang sperrten sich vor allem Kommunen gegen diese Techniken: Sie fürchteten, bei schlecht ausgeführten Bauleistungen auf möglichen Folgekosten sitzenzubleiben. Das Problem soll mit der neuen DIN-Norm 18220 "Trenching-, Fräs- und Pflugverfahren zur Legung von Leerrohrinfrastrukturen und Glasfaserkabeln für Telekommunikationsnetze" behoben werden – nach jahrelangen Diskussionen.

Allein die Telekom rechnet jetzt mit einem schnellen Zuwachs der Anschlüsse: Bis Ende 2024 will der Konzern 10 Millionen Haushalten Glasfaser anbieten. "Bis 2030 wollen wir zwischen 25 und 30 Millionen Haushalten die Anbindung an unser Glasfasernetz ermöglichen", sagt der Telekomsprecher. Die Telekom meine damit vor allem die Verlegung der Infrastruktur, nicht den tatsächlichen Anschluss, murren Wettbewerber. Und tatsächlich sind laut Zahlen, die der VATM verbreitet, die tatsächlichen Anschlussquoten bei der Telekom gering: Gerade einmal 0,9 Millionen Glasfaseranschlüsse hätte die, die Mitbewerber 2,9 Millionen.

Mit Sorge schauen die Beteiligten zudem auf eine andere, neue Problematik, die sich derzeit am Horizont abzeichnet: Für die Energiewende müssen sowohl Strom- als auch Fernwärmenetze ertüchtigt werden. Dafür wird vielfach das Straßenland aufgerissen werden müssen. Doch Nebenwirkungen sind nicht auszuschließen: "Je nach Lage der Leitungssysteme vor Ort ist eine Umverlegung nicht immer auszuschließen. Leider ist die Leitungsdokumentation im Breitbandausbau häufig nicht zuverlässig, sodass es aus Unkenntnis zu Kabelrissen kommen kann", sagt Dieter Hesselmann, Hauptgeschäftsführer des Rohrleitungsbauverbandes.

Allerdings wären auch Synergieeffekte möglich: Wo Strom- und Fernwärmenetze modernisiert werden müssen, wäre die Glasfaserinfrastruktur leicht mitverlegbar. Die Rohrleitungsbauer sehen hier vor allem die Kommunen in der Pflicht, für Ordnung zu sorgen: Die hätten es "in der Hand, Mehrfachaufgrabungen zu vermeiden", sagt RLBV-Hauptgeschäftsführer Hesselmann.

(vbr)