Videotechnik: Wie Avatar 2 die Aufnahmetechnik fürs Kino revolutioniert

Dieser Tage erscheint "Avatar: The Way of Water": James Cameron setzt bei Avatar 2 auf TrueCut Motion, das flüssige Bewegungen und Kinofeeling bringen soll.

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, Thorsten Hübner

(Bild: Thorsten Hübner)

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Stand:
Lesezeit: 18 Min.
Von
  • Nico Jurran
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Erweiterter Kontrastumfang, LED-Bildwände, 3D-Sound: alleine in den vergangenen zehn Jahren hat die Kinotechnik in Sachen Bild- und Tonqualität enorme Fortschritte gemacht. Umso unglaublicher ist es, dass Kinofilme weiterhin mit 24 Bildern pro Sekunde (frames per second, fps) produziert und projiziert werden – einem Format, das mit der Einführung des Tonfilms in den 1920er-Jahren Standard wurde. Am Ende landen die Kinofilme so über Blu-ray Disc, UHD-Blu-ray oder als Videostream eins zu eins auf Fernsehern, deren Panels schon lange 60 oder gar 120 Bilder pro Sekunde darstellen können.

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Technisch sind höhere Bildraten im Kino möglich – und so mancher wünscht sich die durch die niedrige Bildrate verursachten Ruckler bei schnellen Bewegungen weg. Ein Ende von "24 fps" war dennoch bislang nicht in Sicht: Zwar brachte Peter Jackson schon 2012 seinen Film "Der Hobbit – eine unerwartete Reise” mit einer höheren Bildrate (High Frame Rate, HFR) ins Kino und Ang Lee folgte später mit "Die irre Heldentour des Billy Lynn" und "Gemini Man". Keiner dieser Streifen mit Bildraten von 48 bis 120 fps konnte jedoch HFR der breiten Masse schmackhaft machen – weil viele Zuschauer bei den Filmen den typischen "Kinolook" vermissten und diese eher die Anmutung einer Telenovela hatten. Es schien, als bliebe weiter nur die Wahl zwischen Pest und Cholera.

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Regisseur James Camerons will HFR nun aber endgültig etablieren und bringt die hierzulande am 14. Dezember 2022 in den Kinos anlaufende Avatar-Fortsetzung "Avatar: The Way of Water" mit 48 Bildern pro Sekunde heraus. Um den Zuschauern Appetit zu machen, wurde zudem am 23. September 2022 noch einmal der erste Teil in einer HFR-Fassung veröffentlicht, für die zu den ursprünglich 24 Bildern pro Sekunde synthetische Zwischenbilder berechnet und hinzufügt wurden (Motion Interpolation, kurz Interpolation). Auch von Camerons Blockbuster "Titanic" soll 2023 eine 48-fps-Version im Kino zu sehen sein.

c't kompakt
  • James Cameron wagt mit "Avatar 2" und zwei Neuauflagen einen erneuten Vorstoß für High-Frame-Rate-Filme mit einer Bildrate, die über den üblichen 24 Bildern pro Sekunde liegt.
  • Bei den neuen High-Frame-Rate-Filmen erzeugt die "TrueCut Motion"-Technik von Pixelworks künstlich den "Kinolook", den Zuschauer bei früheren HFR-Produktionen vermissten.
  • Die Umsetzung der neuen HFR-Filme fürs Heimkino wirft Probleme auf, ist aber machbar. Pixelworks hat mit einem ersten TV-Hersteller bereits eine Lösung erarbeitet.

Die Ankündigung von Avatar 2 löste bei Filmfreunden gemischte Reaktionen aus: Einige freuen sich auf eine ruckelfreie Wiedergabe, viele befürchten jedoch, dass durch die hohe Bildrate wieder das Kinofeeling verloren geht. Letztere Haltung ist auch der Erfahrungen mit Fernsehern geschuldet, die heute praktisch alle mit einem ab Werk aktiven Interpolations-Algorithmus ausgestattet sind. Am Ende sehen Filme durch die Bearbeitung oft aus wie billige Videoproduktionen, weshalb man auch von einem "Seifenoper-Effekt" spricht.

Einen billigen Videolook soll es bei den HFR-Fassungen der Cameron-Filme aber auf keinen Fall geben: Der Regisseur verspricht einen Bildeindruck wie bei traditionellen Kinofilmen, nur eben mit weicheren Schwenks beziehungsweise Bewegungen. Hierfür setzt er auf eine Technik namens "TrueCut Motion", die von der kalifornischen Firma Pixelworks entwickelt wurde.

Bevor man sich der Lösung widmet, ist es sinnvoll, sich erst einmal das Problem genauer anzuschauen. Die wahrgenommene Diskrepanz zwischen kontinuierlicher Bewegung, wie sie in der Natur zu sehen ist, und der Bild-für-Bild-Darstellung auf einem Bildschirm umfasst mehr als das reine Ruckeln (englisch "Judder”). Laut Experten beeinflusst die Bildrate vielmehr vier Aspekte: die nicht glatte Bewegung, Bewegungsunschärfe (Motion Blur), Doppelkanten und Flimmern. Das bedeutet: Mit einer höheren Bildfrequenz werden die Bewegungen nicht nur glatter, die übrigen drei Artefakte treten ebenfalls vermindert auf und verschwinden mit steigender Bildwiederholrate schließlich komplett.

Verhältnis von Ruckler und Bildhelligkeit: Die Wahrnehmung von Judder bei Schwenks (hier in verschiedenen Geschwindigkeiten) hängt mit der Helligkeit des Bildes zusammen: Je heller das Bild, umso eher wird das Ruckeln als inakzeptabel empfunden.

(Bild: Quelle: Pixelworks)

Interessanterweise nehmen Zuschauer in manchen Kinos mehr Judder wahr als in anderen, ebenso gibt es diesbezüglich Unterschiede zwischen verschiedenen Fernsehern. Dass dies keine Einbildung ist, haben mittlerweile Forscher von Dolby mit Testreihen nachgewiesen. Ihre Untersuchungen ergaben, dass die Wahrnehmung von Judder nicht nur von Faktoren wie der Geschwindigkeit von Objekten im Bild abhängt, sondern unter anderem auch von der Helligkeit und dem Kontrastumfang des Bildes. Zusammenfassend lässt sich sagen: Mit zunehmender Leuchtdichte des Bildschirms nimmt die Wahrnehmung von Ruckeln zu und die von Bewegungsunschärfe ab.

Im Ergebnis können Filme, die in herkömmlichen Kinos wünschenswerte Ruckelcharakteristiken, also den klassischen Kinolook, aufweisen, in Filmtheatern mit erhöhtem Kontrastumfang zu stark ruckeln. Betroffen davon wären davon insbesondere Dolby-Cinema-Säle oder Kinos mit LED-Bildwänden aus Sonys CLED- oder Samsungs Onyx-Reihe. Bedenkt man, dass mittlerweile praktisch nur noch 4K-Fernseher mit HDR-Technik auf den Markt kommen, besteht das Problem auch und vor allem im Wohnzimmer – und wird sich mit immer helleren und kontrastreicheren Panels künftig weiter verschärfen.