Hintergrund: Schulen ans Netz

Von den rund 44 000 öffentlichen deutschen Schulen war Ende 1999 nur knapp jede Dritte ans Internet angeschlossen. Das entspricht ungefähr dem Stand der USA von 1994.

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Von
  • Holger Bleich

Von den rund 44 000 öffentlichen deutschen Schulen war Ende 1999 nur knapp jede Dritte ans Internet angeschlossen. Das entspricht ungefähr dem Stand aus den USA von 1994. Mittlerweile sind in den USA 95 Prozent der Schulen vernetzt. Während sich in Deutschland durchschnittlich 63 Schüler einen Rechner teilen müssen, kommen beispielsweise in Schweden statistisch sechs Schüler auf einen Computer.

Alarmierende Zahlen? Offensichtlich, denn zurzeit hört man allerorten und quer durch die Parteien die Forderung nach einer großen IT-Bildungsoffensive. Die Schulen müssten "für das Internet-Zeitalter fit gemacht werden", fordert Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn immer wieder und ist sich sicher: "Alle Schulen in Deutschland werden bis Ende 2001 am Netz sein." Das muss sie auch versprechen, haben doch die EU-Regierungschefs genau dies jüngst beschlossen. Geht es nach dem Willen der Bildungs-Politiker, dann gibt es also bald mehr gut ausgebildete IT-Kinder als Gastarbeiter-Inder. In Indien ist gesetzlich festgeschrieben, dass 30 Prozent des Unterrichts an Computern gehalten werden muss. Die hiesige Wirtschaft verlangt bereits entsprechende Regelungen auch für deutsche Schulen. Kritische Stimmen, die im vernetzten Klassenzimmer keineswegs die Ultima Ratio sehen, sind rar geworden in dieser Zeit.

Im Windschatten der Greencard-Debatte beginnt nun eine Diskussion um pädagogische Grundkonzepte fürs Computerzeitalter. Es lohne sich einfach nicht mehr, bis zu 1000 Stunden des Lebens für das Erlernen der Rechtschreibung aufzubringen, behauptet der Bremer Informatik-Professor Klaus Haefner. Jedes Lernziel müsse jetzt neu legitimiert werden. Josef Kraus, Präsident des deutschen Lehrerverbands, hält das für Scheinargumente: "Die Möglichkeiten und die Bedeutung des Computer-Einsatzes in Schulen werden maßlos überschätzt." Die Rechner dürften nicht Teil des Unterrichtsalltags werden, mahnt Kraus. Auch der Bundesvorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung hält nichts von den "Sonntagsreden" zum Thema "Schulen ans Netz". Veränderte didaktische und methodische Einstellungen und nicht die Computer seien der Schlüssel für eine bessere Position der Schulen im internationalen Wettbewerb.

Durch die werbewirksame Unterstützung von Telekom und AOL erscheint die Zeitvorgabe der Bundesregierung zumindest durchaus realistisch. Während AOL den Schulen "nur" eine starke Preisreduzierung für den Internetzugang anbietet, wird der T@School-ISDN-Anschluß der Telekom völlig kostenlos sein. Darüber hinaus möchte der Bonner Konzern den Schulen unter dem Namen "T-Cl@assroom" einen T-DSL-Anschluss für die Einrichtung von Internet-Cafés sponsoren. Das gesamte Projekt soll in den nächsten beiden Jahren jeweils 125 Millionen Mark kosten. (hob)