Missing Link: Virtueller Tatort in der CAVE des LKA Baden-Württemberg

Beim LKA Stuttgart steht eine VR-Umgebung für die Rekonstruktion von Tatorten. Die CAVE ist einzigartig im Ländle – und wurde möglich durch den Diesel-Skandal.

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In der CAVE können Ermittler den virtuellen Tatort begehen und etwa Schusswechsel rekonstruieren.

(Bild: LK BW)

Lesezeit: 12 Min.
Von
  • Ulrike Heitmüller
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Im Garten steht ein maskierter Mann mit Waffe. Ein Laser zeichnet eine Linie vom Garten durch ein Loch im Fensterrahmen bis ins Haus. Vom Garten blickt man durch zersplitterte Scheiben in ein verwüstetes Wohnzimmer. Weiter hinten steht ein Mann, der eine Art Knüppel in die Höhe hält. Von dort, wo er gerade hingeschlagen hat, verlaufen lauter weiße Laserlinien gegen die Wand.

"Missing Link"

Was fehlt: In der rapiden Technikwelt häufig die Zeit, die vielen News und Hintergründe neu zu sortieren. Am Wochenende wollen wir sie uns nehmen, die Seitenwege abseits des Aktuellen verfolgen, andere Blickwinkel probieren und Zwischentöne hörbar machen.

Die Szene ist virtuell. Mit Virtual Reality (VR) rekonstruiert das Landeskriminalamt in Stuttgart einen Tatort, inklusive Schusslinie und Blutspritzern – in Originalgröße und begehbar. Möglich macht das ein CAVE-System (Cave Automatic Virtual Environment), in dem die Stuttgarter einen Tatort virtualisieren können. Ermittler und Spezialisten können den Tatort gemeinsam begehen und dabei besprechen, was sie sehen.

Inzwischen arbeiten fast alle Landeskriminalämter mit 3D-Tatortvermessung, Laserscanner und VR, auch Head Mounted Displays (HMD) kommen zum Einsatz. Zwei davon gehen noch einen Schritt weiter: Das LKA Baden-Württemberg mit der CAVE und das LKA Bayern mit seinem Holodeck, das hier am nächsten Wochenende vorgestellt wird.

Früher haben Ermittler ihrer Berichte aus Text, Zeichnungen und Fotos der Justiz übergeben. Anhand dieser analogen Medien mussten sich Richter, Schöffen und Anwälte – im Normalfall keine Techniker – eine Vorstellung von den Abläufen machen. 1994 begann das LKA BW im Auftrag des Innenministeriums mit der 3D-Tatortvermessung. Ab 2006 wurden Tat- und Schadensortsituation mit 3D-Laserscannern gesichert. So entstand ein digitales 3D-Modell des Ortes auf einem Monitor.

Mit der CAVE kann man die Daten aus diesem Laserscanner dreidimensional visualisieren und als Raum erfahrbar machen: Virtual Reality (VR) hat zu einem enormen Sprung in der forensischen Nutzung digitaler Räume geführt. Das System ist schon seit Ende 2021 beim LKA BW in Betrieb, öffentlich präsentiert wurde es jedoch erst in diesem Frühjahr.

Stefan Knapp ist Kriminaldirektor und stellvertretender Leiter des Kriminaltechnischen Institutes (KTI) des LKA BW. Die Fachgruppe 3D-Vermessung und Visualisierung als Teil der Tatortgruppe besteht aus einem Informatiker und drei Geodäten. Die Gruppe ist eine Service-Einheit, die von jedem Polizeipräsidium in ganz Baden-Württemberg angefordert werden kann.

"Wir sind die Zentralstelle für kriminaltechnische Auswertungen im gesamten Bundesland, es gibt nur ein KTI in ganz Baden-Württemberg", sagt Knapp. "Wir machen forensische Auswertungen, also ganz klassisch DNA-Untersuchungen oder Materialuntersuchungen, aber wir haben auch einen Fachbereich Kriminaltechnischer Einsatzdienst. Das ist unter anderem eine Tatortgruppe, also die Kollegen, die in herausragenden Fällen mit dieser Technik vor Ort gehen und die dortigen Kollegen bei der Arbeit unterstützen. Diese Technik hier ist teuer und komplex, man braucht für ihren Einsatz das entsprechende Know-how."

Zur Ausstattung der Gruppe gehören vor allem mehrere terrestrische Laserscanner wie der Imager 501 von der Zoller und Fröhlich GmbH. Außerdem ein 3D-Asservatenscanner für kleine Asservate: Man stellt das Asservat auf eine Art Drehscheibe und während diese sich dreht, fotografieren integrierte Kameras das Asservat von allen Seiten. Aus den Fotos errechnet eine Software ein 3D-Modell. Für größere Objekte oder Menschen gibt es einen Ganzkörperscanner, der nach demselben Prinzip funktioniert – nur ohne Drehteller.