Interview: "Let’s rock education" — Daniel Jung krempelt das Lernen um mit KI

Seite 3: Kuratierte Inhalte schaffen Vertrauen: Trusted Lehrkraft

Inhaltsverzeichnis

Bei Mathefragen.de ist die besondere Note der Mensch. Du kannst eine Frage stellen, du hast in einem Video was nicht verstanden: Ein Mensch steht dir beim Lernen bei. Wir lassen aus Deutschland heraus keine afrikanische Firma labeln, wie das bei ChatGPT der Fall war, sondern deutsche Pädagogen. Wir nutzen den Goldschatz unseres Lehrsystems. So ist die Vorstellung meiner Open-Source-Plattform – statt der ChatGPT-Variante – for free.

Ein Riesenthema im Moment ist Vertrauen. Da klang Skepsis durch. Warum sollten wir den ChatGPTs dieser Welt aus deiner Sicht nur bedingt trauen?

Weil ich nicht weiß, wie diese Maschine trainiert ist. Wenn ich Experten habe, entweder in Videoform, in digitaler Skriptform oder als echte Interaktion mit dem Mensch, der verifiziert ist, ob es ein Trusted Daniel Jung ist, eine Trusted Lehrkraft aus dem Allgäu oder von der Ostsee: Statt an fünf Tagen analog in der Schule unterwegs zu sein, gebt ihnen doch zwei Tage auf einer Plattform. Das hat mich immer umtriebig gemacht.

Die Plattform Mathefragen.de habe ich auch auf Chemie, Physik, Bio übertragen. Vor zwei Jahren kam das übliche Investmentangebot: "Nimm die doch, pack die Videos mit rein, Aufgaben mit Lösungen, andere Fächer, und mach das für einen Zehner im Monat für die Kids.“ Ich habe den Investoren gesagt, ich verstehe euren Ansatz, damit kurzfristig Cash und weitere Investitionsrunden zu machen, aber stellt euch doch mal Folgendes vor: Wir bündeln meine Videos und könnten die Videos von anderen Lehrkräften hinzunehmen, zum Beispiel "Lehrerschmidt", Chemielehrer, Professoren sind auch denkbar. Bei AIEDN kann das wieder zusammenfließen.

Lasst uns das opensourcen, es ist doch in dem Sinne Basiscontent, denn die Welt bewegt sich in eine andere Richtung. Lasst uns doch eine Art Open-Source-ChatGPT machen, wo eben Schülerinnen und Schüler, Studentinnen, Studenten, Lehrkräfte die ganze Zeit Content teilen – und du hast keine Werbung, kein Fortnite, keine hüpfenden jungen Damen auf dem Bett. Du hast reine Bildungsinhalte in Form von Videos, Materialien und entsprechende Menschen, die gemeinsam lehren und lernen. Das ist exakt das Modell von ChatGPT und im Open-Modell sind wir es, die die ganze Zeit gelabelt haben.

Da haben die Investoren gesagt, "Das glauben wir nicht, wir würden eher den Zehner im Monat machen." Deshalb siehst du im Moment die ganzen EdTech-Angebote, die auf einem Zehner im Monat basieren, für Schüler und Studenten, und die dir eine individualisierte Umgebung vorgaukeln, um dich durch eine Prüfung zu bringen.

Team AI_EDN: Blick hinter die App mit Mathefragen (14 Bilder)

Mathehelfer Daniel Jung vor dem E-Board

Und wo kommt die KI ins Spiel?

Wenn du jetzt videobasiertes Lernen, digitalisierten Content, menschliche Interaktion rein aufs Lehren und Lernen nimmst: Das sind maschinelle Lernprozesse, in der breiten Masse ist der Begriff KI geläufiger. Du nutzt maschinelles Lernen beziehungsweise KI, um in diesem Universum besser zu einem Algorithmus, zu einer passenden Stelle und in den Strom des Lernens zu kommen. Das ist es, was KI jetzt kann. Das wird parallel erforscht. Wir generieren nicht die Matheaufgabe mit Lösung, sondern nutzen die Technik, um Videos zu matchen und zur passenden Stelle zu kommen. Generative KI aus den Videos zu erzeugen, das halte ich für zu früh.

Wer sind deine Mitstreiter und was ist das Geschäftsmodell?

In Heilbronn habe ich Sven J. Körner kennengelernt, einen promovierten NLP-Forscher sowie Unternehmer im Bereich semantischer KI aus Karlsruhe, und wir haben vor zwei Jahren ein Tafelbild genauso hingemalt, wie ich es mir vorgestellt hatte: ein Open-Source-Modell für Schüler, Studenten, Lehrkräfte, Eltern mit Inhalten in Mathe, Physik, Deutsch, Englisch, in Videoform, alles for free. Aber hinten dran lässt du eine Maschine trainieren, genau wie OpenAI es macht und natürlich in Business-Anwendungen damit Geld verdient. Das ist doch auch okay.

Erstes Brainstorming für AIEDN in Heilbronn: Tafelbild von Sven Körner und Daniel Jung

Die Datenschätze sind so gut: Wie einer lernt, in welchen Part er geht, wann er welches Video nutzt, wann ein Vorschlag am besten ist. Und das lässt sich nutzen als Business-Modell für Firmen, um ein Leben lang den Mitarbeitern, aber auch den Führungskräften Instant Learning zu ermöglichen, um schnell auf Knopfdruck à la TikTok und Co. auf eine passende Wissens-Snippet-Einheit zu kommen. Ja, dann haben wir gesagt, wie kriegen wir das hin.

Was ist die Rolle von thingsTHINKING bei eurem Projekt?

Wir haben das gemeinsam gegründet mit Svens Team. Er sagte damals: "Gaspedal ist vorne rechts, lass uns schon mal anfangen und gucken." Aber it's all about the money, wie können wir das vielleicht auch in eine Forschungsstudie packen. ThingsTHINKING hat natürlich Know-How im Anträgeschreiben. So sind wir zusammengekommen in einer für mich sehr, ich muss tatsächlich sagen, beruhigend-elektrisierenden Umgebung. Die Leute von ThingsTHINKING sind absolute Know-How-Träger im Bereich semantische KI, und das kombiniert mit Daniel Jung, meinem Know-How aus Didaktik im Video-Bereich.

Beruhigend-elektrisierend? Was meinst du damit?

Es beruhigt mich, weil ich endlich in einer Umgebung mit Leuten bin, die den gleichen Spirit haben. Elektrisierend, weil hier etwas entsteht, das dir Impulse gibt, um etwas umzusetzen und Innovation voranzubringen.

Von mir stammt das Asset der Videos und Mathefragen.de als Plattformgedanke. Die Hochschule der Medien Stuttgart (HDM) mit ihrem Institute for Applied Artificial Intelligence begleitet unser Projekt wissenschaftlich. Henning Beck leitet die Forschung: Ihn möchte ich auch unbedingt in Zukunft mit dabeihaben. Dr. Henning Beck ist Neurowissenschaftler, promovierte in Berkeley, sein aktuelles Buch ist "Das neue Lernen heißt Verstehen". Gemeinsam bringen wir mit AIEDN jedem Kind Bildung, unabhängig vom Geldbeutel. Ich garantiere und stehe mit meinem Namen dafür, dass wir Deutschland nach vorne bringen.

Es ist uns wichtig, Neurowissenschaftler dabei zu haben. Wie etwas angezeigt wird auf Dauer, ist die Frage. Bei YouTube hast du immer nur eine Liste, bei TikTok ähnlich, aber wie kannst du eine Wissens-App machen?

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Karlsruhe, Heilbronn, Stuttgart: Wenn ich es mir so anhöre, hat euer Projekt derzeit einen regionalen Schwerpunkt in Baden-Württemberg…

Ich wollte immer die Flagge hochhalten für meine Heimatstadt Remscheid oder NRW, aber in Baden-Württemberg tut sich viel. In Heilbronn haben sie einen Dieter Schwarz, der mit seiner Stiftung dort Gas gibt. Das Land Baden-Württemberg hat unser Projekt gefördert, die Studie "AIEDN – AI in Education" hat vor dem ChatGPT-Release begonnen, und das Chat-GPT-Release spielt uns in die Karten.

Inwiefern?

Endlich ist die Aufmerksamkeit da für KI und es macht nun mal nicht alles.

Ist generative KI wie das KI-System ChatGPT denn keine Konkurrenz für euch?

Du könntest jetzt auch sagen, warum mache ich das überhaupt, was ich mache, du kannst doch ChatGPT einfach ein Video erstellen lassen irgendwann mit Inhalten von Daniel Jung. Wie ist die Maschine, wie ist GPT-4 von OpenAI trainiert worden? Das weiß keiner so genau. Ja, es wird wahrscheinlich relativ schnell möglich sein zu sagen, gib mir 20 Mathetests im Stil von Daniel Jung, er soll aussehen wie Arnold Schwarzenegger, sprechen wie Rihanna und Mathematik erklären. Total personalisiert. Aber aus welcher Maschine kommt das, wie zuverlässig sind diese Inhalte? Da nehme ich doch lieber den echten, "geprooften" Daniel Jung. Dafür muss ich eine vertrauenswürdige Umgebung haben. Bei TikTok weiß ich nicht mehr, ob das echt ist. Bei AIEDN und unseren Erklärvideos weiß ich, das ist die Person, die den Inhalt erstellt hat, und die ist echt, verifiziert. Der erste Prototyp der AIEDN-App lässt sich bereits öffentlich mit Mathefragen testen.

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Ist digitale Souveränität ein Thema bei euch?

Mir geht es sehr stark um den Standort Deutschland und Europa. In den USA gibt es die Khan Academy, die größte Onlineschule der Welt, gegründet von Sal Khan, einem MIT-Absolventen. Khan hat der Cousine Nachrichten gegeben und Online-Videos erstellt. Jetzt haben sie 150 Millionen Nutzer monatlich bei der Khan Academy. Die Khan Academy ist völlig for free. Aber warum ist etwas for free? Weil Geld dahintersteckt, irgendeiner muss den Spaß bezahlen. Einer der ersten Investoren war die Bill Gates Foundation.

Die machen ja auch Gutes, Khan, Bill Gates, Microsoft, OpenAI. Letztes Jahr im August begann die Khan Academy eine Zusammenarbeit mit OpenAI und hat dieses Jahr basierend auf GPT-4 "Khanmigo" herausgebracht, einen intelligenten KI-Tutor und Assistenten [Anm. Red.: Blogpost zum Launch: Introducing Khanmigo].

Jetzt könnte man meinen, "Daniel, brauchste gar nicht zu machen, ist ja schon alles da". Ja, aber Moment, die Khan Academy ist bloß ein einziger Ansatz und eine Art KI-Tutor zu bauen. Und am Ende des Tages ist das Microsoft. Lasst uns doch in einer anderen Art nach einer KI-gestützten Lernassistenzlösung suchen.