Interview: "Let’s rock education" — Daniel Jung krempelt das Lernen um mit KI

Seite 7: Parallelreise: "Hier geht was, Deutschland"

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Beruflich rede ich häufiger mit Startup-Gründern. Es kommt selten vor, dass mal jemand sagt, du, ich bin super happy hier in Deutschland und will hier nicht weg. Einer fällt mir ein, Falk-Florian Henrich. Der hat aus Deutschland heraus ein KI-Modell für die Stahlindustrie gebaut, Smart Steel Technologies. Das exportiert er nach Südamerika, in die USA, und hat von Deutschland aus einen Ableger in den USA gegründet. Fühlt sich wohl hier und hat rein mit Maschinendaten gearbeitet, keine DSGVO-Probleme. Wie schaut es bei dir aus, bist du zuversichtlich?

Ich bin auf einer Parallelreise, gerade bin ich rund um die Uhr dran. Ich lebe ja parallel meinen Brand draußen mit "Mathe by Daniel Jung" und laufe als Education Entrepreneur. Das will ich natürlich auch nutzen. Viele haben mir jetzt geschrieben – nicht nur "Danke für die Mathe-Videos", sondern auch "Danke für deinen Podcast und dass du Social Media nutzt“. Das stimmt mich zuversichtlich, und daher sage ich: "Hier geht was, Deutschland." Du kannst hier umsetzen, du hast hier Knowhow, du kannst vorangehen. Geh nach vorne.

Ich komme ja aus Remscheid, Bergisches Städte-Dreieck. Unser Rückgrat ist der Mittelstand, was da für geile Daten sind! Da gibt es Familienbetriebe, die seit über 100 Jahren etwas produzieren und in ihrem Bereich mit unvergleichlicher Technik und Tradition Marktführer sind. Mitunter kommen dann die Nachfahren auf neue Ideen, etwa mit Predictive Analyzing und Machine Learning die Daten nutzbar machen und etwas Neues entwickeln.

Und das ist gerade das Problem in Deutschland. Die Daten, die wir haben in maschinellen Fertigungsprozessen, das hat sonst keiner auf der Welt. Oftmals ist dann die Frage, ob die anderen in der Familie, die Hauptanteilseigner, bei einer Modernisierung mitziehen. Wie viel Risiko geht man dann ein? Nicht alle sind so wie ich und gehen voll ins Risiko, all-in, weil das kann voll in die Hose gehen und dann ist alles weg. Manche behalten lieber ihren Komfort, fahren weiterhin einen Tesla oder Porsche, lassen das mit der Modernisierung sein, und der Familienbetrieb wird verhökert an China oder die USA. Weil da einer sagt, euren Schuppen würden wir gerne kaufen.

Dafür kenne ich viele Beispiele. Ich erlebe gerade, wie eine Generation in meinem Alter völlig neu denkt und den hohen Schatz an Daten aus dem Mittelstand erkennt, gerne etwas Neues damit machen würde, aber das Risiko nicht eingeht, den Laden komplett neu aufzustellen. Dann geht man doch lieber den alten Weg und verkauft die Firma. Wohin verkauft man dann? Meistens ans Ausland. Wachstum ist in der Regel kapitalintensiv, siehe Spieltheorie. Es wäre schöner, wenn wir stattdessen selbst den neuen Standard setzen würden. Das ist wohl eine Frage des Mindset. Vielleicht kann unser Beispiel jetzt zeigen: Es geht auch aus Deutschland heraus.

Smart Steel Technologies und Aleph Alpha sind auch Beispiele dafür. Was wäre für dich ein Erfolg oder Etappenziel?

Durch diesen KI-Trieb jetzt hat das Thema Aufwind, und ja, dann brauchst du halt manchmal so etwas wie ein Silicon Valley. In der Ecke Heilbronn/ Heidelberg gibt es so ein Cluster. Heilbronn für mich gerade omnipräsent, weil Dieter Schwarz da so viel investiert mit dem KI-Park. Ich werde nicht anfangen mit: "Hi, ich bin gerade in Kalifornien und trinke einen Kaffee, weil ich morgen ein Gespräch habe mit XY." Da sage ich lieber: "Thank you, heute haben wir wieder 20.000 Menschen zum Lernerfolg gebracht."

Oder: Hey, heute haben wir die Daten genutzt, hey, heute bin ich wieder an einer Schule, die vorher keine Ausstattung hatte. Wir haben eine Schule mit Rechnern voll ausgestattet und dann haben wir AIEDN reingebaut, und ihr könnt dat Ding for free nutzen. Und jetzt kommt das große, große Ding, warum AIEDN dazu beitragen kann, dass wir endlich eine Schulrevolution starten. Wir werden den Lehrplan nicht ändern, wir werden nicht direkt alle Schulen ausstatten, aber wir können den Lehrkräften und den Schülerinnen und Schülern mehr Freiräume schaffen.

Inwiefern Freiräume?

Freiräume im Sinne von, die Prüfung, die ihr immer noch machen müsst, werdet ihr bestehen, ihr habt auf YouTube schon schneller gelernt, jetzt könnt ihr dann noch schneller lernen, Dinge verstehen und die bearbeiten. Dann könnt ihr einen Tag pro Woche freischaufeln und macht irgendwas, guckt TED-Talks, ladet Aleph Alpha ein, ladet den Jonas Andrulis oder spannende Forscher ein, testet ChatGPT, testet irgendetwas anderes. Das klingt jetzt total banal. Nein, wenn eine Lehrkraft Bock hat, einen Tag nur über maschinelles Lernen zu sprechen, braucht ihr den freien Tag, und den können wir damit eben noch verschaffen. Freiday. Ein wirklicher F-R-E-I-Day.

In Deutschland hast du ein krasses Stadt-Land-Gefälle. Und wenn das eine Problemschule ist oder du einer Schrottklasse gelandet bist, kann dir das dein Leben vermasseln. Habt ihr auch dazu einen Ansatz?

Du brauchst auch Menschen weiterhin. Kein ChatGPT, auch kein AIEDN kann die Menschen ersetzen. Mach die Schule, baue sie für 100 Trilliarden in einem Glasbau mit den ganzen Agile Work-Ecken, hau überall Tablets rein, Internet von der Telekom oder von Starlink, und alles ist geil. Schick sie dort rein, ein signifikanter Teil wird ausrasten, und dann brauchst du nicht den Tesla-Bot, du brauchst Daniel Jung, einen Lehrer Schmidt, die Schulleiterin Silke Müller, Digitalbotschafterin Niedersachsens – wen auch immer, die dann sagen, jetzt ist Schluss, jetzt ist Ruhe, komm mit, klopf auf die Schulter.

Was würdest du jetzt mit 100 Milliarden machen?

"Holt so viele Menschen wie möglich in die Schulen." Weil du kannst gar nicht so schnell alles ausstatten, AIEDN einführen, Khan Academy, whatever, wie du es bräuchtest. Ich hatte Aladin El-Mafaalani mal im Podcast. Nenne es multiprofessionelle Teams oder nur Teams, egal: Du brauchst die Menschen. Aber wie gesagt, das ist dieses komplexe Ding, wo ich mich manchmal frage, warum tu ich mir dat eigentlich an. Jetzt will ich es nochmal unterstützt mit Technologie probieren – denen, die da sind, mehr Freiräume zu verschaffen, dadurch hast du ja schon mal mehr Menschen.

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Wenn du denen mehr Freiräume gibst, haben sie mehr Zeit, oder?

Mein Neffe ist fünf, und der hat eine ganz beschränkte Tabletzeit. Ich bin mit ihm immer am Klettern, Motorik, Geschichten erzählen, Marvel-Buch lesen, Rollenspiele, Mensch-ärgere-dich-nicht, zählen lernen. Der ist so pfiffig, und dann kannst du dir vorstellen, so weit könnte hier jeder in dem Alter sein. Der ist dann aber gelangweilt im Kindergarten. Die Erzieher haben halt keine Zeit, und sagen dann, na du bist ein ADHS-Kind. Nee, ist er nicht, der hat Bock, der ist total lieb, aber da kannst du auch nicht mal den Erzieher für blamen, weil du hast halt nur einen Erzieher für 30 Leute, du bräuchtest halt drei. Aber die sind nicht da!

Die müssen dann noch die Administration machen, weil morgens der Drucker-Login nicht klappt, und so weiter.

Und selbst, hast du Mitarbeiter oder kämpfst du dich solo durch? Wie sind die Aussichten?

Ich versuche das gerade mit einem ganz schmalen Team hier zu koordinieren, Bechtle haben wir gerade eingetütet, Ausstattungen organisiert, ViewSonic habe ich noch als E-Board-Hersteller mit dabei. AIEDN ist die Lösung, um echte Menschen zu bündeln. Das wird jetzt ein 12-Monats-Sprint, bis man es der Politik fertig anbieten kann: „Ich muss euch gar nichts erklären, es ist alles da. Sorgt jetzt nur dafür, dass die Gelder nicht verpuffen, sondern da hingehen, wo sie Wirkung entfalten.“ Ihr müsst auch gar nichts mir geben, sondern deshalb ist das ein Open-Source-Projekt, alles da rein. Und dann werden sich die ganzen Initiativen finden und Menschen, die Bock haben.

Du setzt also mehr auf die intrinsische Motivation und dass junge Menschen wie auch Lehrer ihre gewonnene Zeit an einem freien Wochentag aktiv für Bildung nutzen?

Genau. Dann würde ich sagen, da kannst du den freien Tag in der Schule sinnvoll verbringen. Geoffrey Hinton, einer der drei Godfathers of AI, dessen geistiger Ziehsohn war Ilya Sutskever, der dann als Erstes mit Alexnet, Bilderkennung gelöst hat. Sutskever, nicht Sam Altman, ist der Brain hinter OpenAI, der jetzt auch Language gelöst hat. Dat einfach zu wissen, wo die her sind, dass dann Geoffrey Hinton zu Google gegangen ist, Google jetzt verlassen hat, dann bist du in der Diskussion und tauchst tiefer rein.

Dann sagst du, oh, jetzt möchte ich mich mit neuronalen Netzen beschäftigen. Ach, und das ist übrigens auch in der Umgebung schön auffindbar, weil wir bei AIEDN Leute mit Knowhow zusammenbringen. Falls Sven, sagen wir mal: 20 Erklärungen aus dem Bereich NLP zusammenstellt, dann ist das ein mega Trust Level, denn das ist von Dr. Sven Körner gemacht, er ist darin ausgebildet, mega entwickelt. Natürlich kann ich auch lernen, wie ich bei ChatGPT prompte. Aber das Thema ist Trust Level. Echte Experten und abwägen, wem kannst du noch trauen. Medienkompetenz.

Sag mal Daniel, hast du keine Angst? Die KI-Systeme werden rasch stärker und generative KI gerade im Videobereich wird immer besser.

Ja, natürlich, es wird GPT-5, 6 oder 7 geben mit Multimodalität, es wird relativ schnell so sein, dass du promptest, "Ich möchte gerne zehn Videos zum Thema Differenzialgleichung haben, im Whiteboard-Stil von Daniel Jung, er soll aussehen wie Arnold Schwarzenegger und die Stimme von Britney Spears haben." So, mega und super und toll, aber dat kann et nicht sein.

Ich glaube persönlich ja, dass menschengemachter Content an Wert massiv gewinnt.

Absolut.